Life Class

Parkers "Regeneration"-Trilogie war ja ein großartiges Leseerlebnis, und auch mit ihrem neuen Roman kehrt sie in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück, genauer genommen in das Jahr 1914. Paul Tarrant studiert unter Henry Tonks an der Slade School of Art – eher erfolglos, wie er selber meint. Er ...

Parkers "Regeneration"-Trilogie war ja ein großartiges Leseerlebnis, und auch mit ihrem neuen Roman kehrt sie in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück, genauer genommen in das Jahr 1914. Paul Tarrant studiert unter Henry Tonks an der Slade School of Art – eher erfolglos, wie er selber meint. Er kann sich weder mit dem futuristischen 'shooting star' Kit Neville noch mit der ein bisschen an Dora Carrington gemahnenden Elinor Brooke messen, die völlig in ihrer Kunst aufgeht (und aufgehen wird).

Paul verliebt sich in Elinor, merkt aber Kits Konkurrenz und flüchtet sich in eine Beziehung mit dem Aktmodell Teresa, die von ihrem eifersüchtigen Ex-Ehemann verfolgt wird und irgendwann im Laufe des Romans sozusagen verloren geht.

Allmählich entspinnt sich eine Beziehung zwischen Paul und Elinor, eine Beziehung, die auch zu funktionieren scheint, doch muss man immer mitbedenken, dass Elinor "utterly self-centred" ist und dass für sie Kunst an erster Stelle kommt. Paul tritt als Freiwilliger dem belgischen Roten Kreuz in Ypres bei und erlebt den Schrecken des Krieges, so, wie ihn Barker bereits meisterlich in ihrer Trilogie geschildert hat. Elinor kommt zwar zu Besuch, aber die Entfremdung wächst, denn der Krieg verändert Paul mehr als die in ihrer Kunstwelt gefangene Elinor. Paul, zwar kein besonders begabter Maler, ist eigentlich der, der den klassischen (künstlerischen) Entwicklungsprozess durchläuft. So ergibt sich ein Bildungsroman, der nur ein Echo der großen Bildungsromane sein kann. Die Frage ist letztendlich: Wie sehr können wir uns, trotz aller zerstörerischen Einflüsse, die eigene Identität und die Liebe erhalten? Die Antwort lässt sich nicht festschreiben, sondern muss immer wieder neu gefunden werden. Dabei aber dürfen auch die Obsessionen und die Lebensziele nicht aufgegeben werden: Elinor gibt ihr Leben der Malerei – wenn etwas davon für Paul übrig bleibt, umso besser für ihn. Dazu kommt, dass sie sich nicht wirklich in letzter Konsequenz für einen Mann entscheiden kann oder will.

Barker – und das macht ihre Romane so lesenwert – ist eine erstklassige Erzählerin, die ihr Medium, die Sprache, bis ins kleinste Detail beherrscht; sie ist aber auch eine Erzählerin in der Tradition eines Flaubert, insofern als sie ihre Materie gründlich, ja akribisch recherchiert – ein Umstand, der ihre Romane aus der momentanen Flut an Retro-Literatur deutlich heraushebt. Ganz einfach gute Literatur eben!

London: Hamish Hamilton 2007

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.09.2007
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