Leaving the Antocha Station

Indirekt verdanke ich den Tipp Alan Pulverness (thank you, Alan) – und schon wieder hätte ich ein interessantes Buch versäumt. (Mein Exemplar ist doch glatt schon die sechste Auflage!)

Lerner, selbst Poet, schreibt in seinem Erstling über den jungen amerikanischen Dichter, der 2004 in Madrid ein Poetry-Stipendium wahrnimmt. Adam Gordon gehört der (vorwiegend) bekifften Art-Crowd an, doch das ist deswegen nicht nur unterhaltsam für ihn, weil er an einer permanenten Dislokation leidet, physisch und linguistisch. Seine Wahrnehmung der Welt ist derart vage und sprunghaft, dass daraus fast ein äußerst komischer Roman entsteht.

Wenn Adam aus dem Haus tritt, dann scheint die Sonne – oder ist es doch bewölkt? Wenn er Kaffee kauft, lässt er ihn stehen, leert ihn weg, trinkt ihn kalt. Schlimmer noch ist, dass er seinem Spanisch nicht traut. Im Laufe des Buches ist er mit zwei Frauen involviert, Isabel, die er kennenlernt, als sie eine tragische Geschichte erzählt, bei der er lacht, weil er sie nicht versteht, und Teresa, die seine Gedichte übersetzt. Beide belügt er immer wieder, weil er sprachlich inkompetent ist, aber auch, weil er Zorn und Wut in sich verspürt, ohne dass diese je wirklich zum Ausbruch kommen.

Aber die Handlung ist vermutlich nebensächlich. Adam taumelt herum wie Camus‘ Meursault, er steht im Prado vor einem Gemälde, als wäre er aus einem Thomas Bernhard Roman, vor allem aber sinniert er über John Ashberys Gedichten (ja, das tu ich auch!), die sich unentwegt davonmachen, entziehen, den Boden unter den Füßen wegschreiben. (Ich habe die Seiten 90/91 für meine achte Klasse kopiert – höchst empfehlenswert!)

Zugegeben, manchmal nervt der Protagonist, aber am Ende hatte ich ihn schon richtig lieb gewonnen, nicht nur wegen der Peinlichkeiten (so hält er etwa Ortega y Gasset für zwei Personen). Adam ist ein Drifter, dem nichts passt, und wenn er sich einmal wohl fühlt, stürzt er sich in so viele Unsicherheiten, dass nichts anderes sein kann als ein Fremder für sich und für unsere Zeit. 

Minneapolis: Coffee House Press 2011; pp. 181

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
04.03.2013
Link
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