Das ist ein ganz besonderes Buch, und wenn es mir nicht eine ehemalige Schülerin empfohlen hätte, wäre es wohl an mir vorbeigegangen, obwohl Teile davon in dem Magazin GRANTA, das ich subskribiere, erschienen sind.

„Lark& Termite“ ist ein zugleich erhebendes und bedrückendes, poetisches und grausames Bild aus den 50er-Jahren. Wir lernen zunächst den jungen Corporal Robert Leavitt, einen sehr sympathischen Charakter, kennen, der 1950 in Korea stationiert ist. Die nächsten Stimmen begegnen uns neun Jahre später: die 17jährige Lark und ihr drei Jahre jüngerer Bruder Termite, der sein Leben im Rollstuhl verbringt, weder sprechen noch sich bewegen kann, aber eine ungeheure Wahrnehmungskraft besitzt und gleichsam von innen her strahlt. Eine weitere Stimme ist Nonie, eine Mittfünfzigerin, die die beiden Kinder in einem Nest in West Virginia großgezogen hat. Harte Arbeit in einer gottverlassenen Gegend bestimmen alle Existenzen.

Im Wechselspiel der Stimmen (und der nur am Schluss gehörten, aber immer präsenten von Lola, der Mutter der Kinder) entfalten sich die miteinander verflochtene Schicksale, und obwohl eigentlich Alltag erzählt wird, versteht es Phillips meisterhaft, einen Schwebezustand, eine Spannung aufrecht zu erhalten, die einen weiter und weiter lesen lässt.

Bewundernswert auch, wie sie allen ihre ganz eigene Erzählstimme verleiht, ohne dabei Bruchlinien zu ziehen; mag sein, dass ihr Termite nicht immer ganz so (zugänglich?) gelungen ist, mag sein, dass Lark zu sehr dominiert. Dennoch: Auf sie alle ist man neugierig, wenn sie wieder einsetzen, wobei ich persönlich mich immer besonders auf Leavitt gefreut habe. Wo auch immer Ihre Sympathien liegen mögen, Phillips ist bestimmt eines der ganz großen amerikanischen Erzähltalente, und ich bin richtig erschrocken, dass es so lange gedauert hat, bis ich endlich einen ihrer Romane gelesen habe.

New York: Alfred A. Knopf 2009; pp. 254