Labyrinth

Gegenwartsliteratur? Nun, das ist eine sehr umfassende Bezeichnung, aber im Grunde haben wir es mit einem Sommerwälzer, einem historischen Roman, noch besser und genauer (und witziger) mit einem "Grail gripper" – so der Klappentext – zu tun.
Die 700 Seiten pendeln zwischen zwei Abschnitten: dem ...

Gegenwartsliteratur? Nun, das ist eine sehr umfassende Bezeichnung, aber im Grunde haben wir es mit einem Sommerwälzer, einem historischen Roman, noch besser und genauer (und witziger) mit einem "Grail gripper" – so der Klappentext – zu tun.

Die 700 Seiten pendeln zwischen zwei Abschnitten: dem Jahre 2005, in dem die junge Alice Tanner an einer Ausgrabung in Südfrankreich teilnimmt, und den Jahren 1209-1244, in denen Alaïs, Tochter des Seneschalls von Carcassonne, in ein bedeutsames Mysterium verwickelt wird.

Der Vater von Alaïs ist Hüter eines der drei Bücher, die den Gral beschwören können; in der Zeit der Kreuzzüge gegen die Katharer (die richtigerweise als von Gier inspiriert dargestellt werden), sind viele an diesem Machtinstrument interessiert, nicht zuletzt Alaïs' Schwester Oriane, schwarzhaarige, schöne Schurkin. Wir verfolgen also einerseits das Schicksal der beiden Schwestern, den Kampf und okzitanische (Religions)Freiheit gegen Inquisition und die bösen Nordfranzosen, andererseits aber das Schicksal von Alice, die über die Jahrhunderte mit dem Gral (im Übrigen eine ägyptische "Erfindung") verbunden ist und in der Geschäftsfrau Marie-Ccile ihre Gegenspielerin findet. Rundherum gibt es zahlreiche mehr oder minder bedeutsame Nebenfiguren, gute und böse en masse, die die Handlung vorantreiben und wichtige Brückenfunktionen erfüllen.

Das alles kennen wir ja von irgendwoher, aber da gibt es doch ein paar Dinge, die Mosses Roman lesenswerter machen als, sagen wir, den "Da Vinci Code". Zum einen wird ihr Spektakel ausschließlich von Frauen getragen – ob nun bei den Guten oder bei den Bösen. Zum anderen lässt sie so viel an "Gelehrsamkeit" einfließen, dass es wirklich neugierig auf (Religions)Geschichte macht, ohne weh zu tun. Schließlich ist das Buch auch eine Liebeserklärung an die Languedoc, die Sprache, die Sitten – in beiden Jahrhunderten. Vorausgesetzt, Sie bringen so viel "willing suspension of disbelief" mit, dass Sie Sätze, in denen davon die Rede ist, dass wir Dinge über die Jahrhunderte hinweg in unserem Blut und unseren Knochen spüren, aushalten können.

Dennoch: Im Klappentext steht zu lesen, dass dies chick lit für A-levels ist (The Guardian) – eine passend-schnoddrige Beschreibung für durchaus gelungene Halbdutzendware.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.10.2006
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/labyrinth.html
Kostenpflichtig
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