In One Person

Anders sind wir alle – so gesehen ist die Geschichte des William (Billy) Abbott, eine Geschichte, die uns zeigt, dass niemand so ist, wie wir glauben mögen – und wenn, dann ist er auf der Suche.

Billy ist ein Schriftsteller, nun 65, und er blickt auf sein (bisexuelles) Leben zurück. Selten liest man einen Roman, in dem so viel von Sex die Rede ist und der trotzdem eine fortschreitende Handlung mit zahlreichen Verknüpfungen hat. Letzendlich stellt sich heraus, dass sich alle Figuren bis zu einem gewissen Grad über Sex definieren, sei es nun in den prüden Fünfzigerjahren in Vermont oder den promiskuitiven Siebzigern und Achtzigern. Sex und Theater – und damit Rollen beherrschen das Buch. Schon der Titel ist Shakespeare entnommen (Richard II: “Thus play I in one person many people, / And none contented") – und Shakespeare wird weidlich gespielt in diesem Roman, wobei sich die Männer lustvoll der Frauenrollen bemächtigen, wie etwa Billys Großvater Harry. Transexuelle versuchen ihren Platz zu erobern (und werden dann wohl oder übel zur transgender person – das klingt immerhin asexueller).

Billy braucht lange, um seine Bisexualität differenziert auszuleben, aber von Anfang an hat er seine “crushes on the wrong people.” Er liebt die Bibliothekarin Miss Frost mit ihren breiten Schultern und kleinen Brüsten, er sammelt Erfahrungen mit der gleichaltrigen (ewig brustlosen) Elaine, er verliebt sich in seinen Stiefvater Richard Abbott und in Ketteridge, einen androgynen Ringer. Irving, selbst hingebungsvoller Wrestler, kann natürlich auch hier die Ringkämpfe nicht aussparen – die sprichwörtlichen und die unter Menschen.

Wir lesen also eine Lebensgeschichte, in der es sich leicht ein bisschen herumirren lässt. Irvings Kunst liegt darin, diese Geschichte gleichzeitig zu einer Geschichte von Dekaden, Lebensentwürfen, Alltag zu machen. Auch wenn sich letztendlich herausstellt, dass kaum jemand den biederen Lebensweg des Durchschnittsmenschen beschreitet, so hat doch der gesamte Entwurf etwas Heimeliges an sich und man kann sich gut vorstellen, mit diesen Menschen aufzuwachsen und zu leben.

Und was wir noch nicht vegessen sollen: Irving kann einfach eine gute Geschichte erzählen, die Vertrautes und Neues angenehm vermischt.

London: Doubleday 2012; pp. 425

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
04.06.2012
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