I Am Charlotte Simmons

Tom Wolfe, "dapper gent" am Cover des Buches, hat einen weiteren Panoramaroman geschrieben, der sich für unsereins, die wir mit den Mechanismen des amerikanischen Collegewesens weniger vertraut sind, auf jeden Fall ein bissl exotisch und interessant liest. Aber auch Wolfe selbst ...

Tom Wolfe, "dapper gent" am Cover des Buches, hat einen weiteren Panoramaroman geschrieben, der sich für unsereins, die wir mit den Mechanismen des amerikanischen Collegewesens weniger vertraut sind, auf jeden Fall ein bissl exotisch und interessant liest. Aber auch Wolfe selbst hat wohl gemerkt, dass er gründlich recherchieren muss, und eine lange Namensliste an "thank yous" eingefügt; dabei fällt auf, dass er offensichtlich auch sprachlich einiges dazu gelernt hat (awesome ist in, fabulous ist out – aha!). Diese naive Faszination nervt ein bisschen bei einem so umfangreichen Roman und zeigt gleichzeitig, dass Wolfe halt doch kein Balzac ist, denn der war eben ein absoluter Meister der Sprache und der Exaktheit. Wolfe ist schlichtweg schlampig – sprachlich und inhaltlich, wie sich mit einigem Abmühen nachweisen ließe; aber das will ich gerne der Seminararbeiten überlassen.

Trotzdem: So ein Panoramablick hat schon etwas für sich, auch wenn sich die Geschichte auf sehr wenig reduzieren lässt: Kleines gscheites Mädchen kommt in die große weite Welt und muss lernen, dass a) nicht alles wie zu Hause ist und b) frau eben zu sich selbst finden muss.

Weniger schlampig zusammengefasst: Die begabte und naive Charlotte Simmons aus North Carolina landet – per Stipendium - auf der ruhmreichen (und fiktionalen) Dupont University in Pennsylvania, wo sie erfahren muss, dass das Leben der Studentinnen und Studenten nicht nur durch eifrige Gelehrsamkeit, sondern auch durch Sex and Drugs, durch Unredlichkeit und Eitelkeit bestimmt ist. Dupont ist nicht nur für seinen akademischen Ruf, sondern auch für sein Basketballteam bekannt, und alsbald lernen wir die drei Männer kennen, die im Leben der unschuldigen Charlotte zumindest in den nächsten paar Monaten einen wichtigen Platz einnehmen werden. Hoyt, der Coolste der Coolen und Mitglied einer angesehenen Fraternity, glaubt, er sei durch nichts aufzuhalten – und letztlich kann er auch Charlotte tief beeindrucken und gleichzeitig in eine Depression stürzen. Adam, der Intellektuelle, schiebt zwar Gedankentiefe vor schlichte Sehnsüchte, bleibt aber feig und farblos. Und Jojo, der Basketballstar mit Selbstzweifeln, der plötzlich Philosoph sein will, sieht in Charlotte eine gute Fee, die ihn aus der Eindimensionalität retten kann. Das liest sich mitunter sehr witzig, mitunter sehr pathetisch, mitunter blass, dann wieder anrührend – insgesamt also fast so wie ein fetter Flughafenroman, der sich in der Welt des Akademischen angesiedelt hat. So negativ das klingen mag, so ist "I Am Charlotte Simmons" dennoch recht unterhaltsam, sogar packend zu lesen, die Unschuld-vom-Land-in-der-weiten-Welt"-Thematik zieht bekanntlich immer noch, vielleicht deshalb, weil sich viele Leser/-innen eben selbst gern an die Zeit vor allen möglichen "Sündenfällen" zurück erinnern. Es würde mich wundern, wenn daraus nicht ein fetziger Film zu machen wäre, denn bei allem Schreibfluss ist es ja doch eine relativ simple Hollywood-Geschichte geblieben.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/i-am-charlotte-simmons.html
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