Hot Milk

Autor LEVY, Deborah

Verlag London: Hamish Hamilton 2016

Levys „Swimming Pool“ (s. Archiv) verhieß schon viel Gutes, und auch ihr neuer Roman enttäuscht auf den meisten Ebenen nicht.

Am ehesten noch auf der erzählerischen – zu disparat, zu vignettenhaft wirkt die Erzählung und wir wissen letztlich nicht, was wir mit all dem, das sie uns da präsentiert, anfangen sollen. Aber die einzelnen Szenen und Bilder sind überaus gelungen – genauso wie die Sprache (wenn die Erzählerin z. B. über ihre Mutter sagt: “My love for my mother is like an axe,” Sofia says, more than once. “It cuts very deep.”).

Sofia Papastergiadis (den Namen verdankt sie ihrem griechischen Vater) reist mit ihrer Mutter Rose nach Südspanien, allerdings nicht, um Urlaub zu machen, sondern um Rose vom seltsamen Dr. Gomez behandeln zu lassen; sie haben ihr Haus dafür verpfändet, weil Rose endlich von ihren Lähmungserscheinungen geheilt werden soll. Allerdings weiß niemand genau, ob Gomez ein seriöser Arzt oder ein Quacksalber ist, der in einer brustförmigen Klinik residiert. Desgleichen weiß auch niemand genau, ob Rose simuliert, die Trennung von ihrem Mann nicht ertragen kann, die Tochter, die an sich studierte Anthropologin und gelernte Barista ist, nicht ziehen lassen will.

Sofia ist eng an ihre Mutter gebunden, auch ihr versagen, symbiotisch sozusagen, bisweilen die Beine. Sie wird von Quallen (kleinen ‚medusas‘) gepeinigt, freundet sich mit einer deutschen Näherin namens Ingrid an (“whose body is long and hard like an autobahn”), beginnt auch ein Verhältnis mit einem jungen Mann, lauscht einem ewig kläffenden Hund, beschließt spontan, ihren Vater in einem tristen Athen zu besuchen. Der hat eine um 40 Jahre jüngere Frau geheiratet und mit ihr eine kleine Tochter. Kurzum, Sofia treibt durch ein eher ereignisloses Leben, nirgendwo ist Sicherheit, Gomez schafft kein Vertrauen, Ingrid stickt für sie ein zweideutiges T-Shirt, das Bett in Vaters Rumpelkammer bricht unter ihr zusammen – alles Kleinigkeiten, aber sie verweisen auf nicht gefestigte Existenzen.

Und plötzlich, nach vollendeter Lektüre, merkt man, ungeachtet der eher dünnen Geschichte, was für eine Vielzahl an ‚bedeutsamen‘ Dingen passiert ist. Ach ja, diese Szene war auch in „Hot Milk“; und jene auch; mit jedem Tag fallen einem mehr Vorkommnisse aus dem Roman ein, und nun merkt man erst, was für ein dichtes Buch man eigentlich gelesen hat.

Keine Frage, das ist nicht Alltagslektüre für jedermann, aber es ist zweifellos Lektüre, die sich lohnt. Man darf auf weitere Romane von Levy gespannt sein.

pp. 218

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
03.11.2016
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/hot-milk.html
Kostenpflichtig
nein