Helpless

Die kanadische Schriftstellerin Gowdy hat kein perfektes, jedoch durchaus beunruhigendes Buch geschrieben, das vor allem durch seine Erzählweise und seine Sprache, weniger durch seine Geschichte besticht, denn dazu ist allzu deutlich, dass Boulevard, Filme, aber auch Nabokov und Fowles Pate stan ...

Die kanadische Schriftstellerin Gowdy hat kein perfektes, jedoch durchaus beunruhigendes Buch geschrieben, das vor allem durch seine Erzählweise und seine Sprache, weniger durch seine Geschichte besticht, denn dazu ist allzu deutlich, dass Boulevard, Filme, aber auch Nabokov und Fowles Pate standen (ohne dass Letztere annähernd erreicht werden).

Während eines Stromausfalls wird in Toronto die auffallend schöne Rachel von Ron entführt. Ron ist ein dicker, eher unglücklicher Mensch, der eine kleine Reparaturwerkstätte betreibt. So weit, so gut. Aber Rachel ist erst neun! Der pädophile Ron redet sich ein, er müsse Rachel vor den Gefahren der Welt, vor allem aber den neugierig-begehrlichen Blicken der Männer beschützen. Außerdem sei die allein erziehende Mutter viel zu verantwortungslos, als dass sie dieses besondere Kind erziehen dürfte. Ron versteht es, die dahindriftende, mit Drogenproblemen kämpfende Nancy auf seine Seite zu ziehen, und es ist auch Nancy, die anfangs Rachels Zutrauen erwirbt; Rachel will nur Nancy in ihrem Kellerverlies um sich haben.

Wir erleben die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven; allen gemeinsam ist eine atemlose Erzählweise: Nancys Selbstquälerei, Rons Lügengebäude, die er vor sich selbst errichtet, Rachels Beobachtungen, die Sorgen der Mutter. Dazu kommen Rückblicke – vor allem Rückblicke auf Rons Leben, die aber sein Tun nur unzureichend erklären können. Ron ist kein gewissenloser Fiesling, sondern in einer eigenen Krankhaftigkeit mit einer eigenen Logik verfangen. Wenn er etwa glaubt, Rachel interessiert sich für seine Sammlung alter Staubsauger, dann hat er sogar etwas von einer unbeholfenen Liebenswürdigkeit. Aber das gesteht man ihm vielleicht deswegen zu, weil er seine Gedanken nie wirklich zu Ende denkt. Das Schreckliche stellt sich die Mutter immer wieder kurz vor, ansonsten bleibt es den Vorstellungen der Leser/innen überlassen – auch ein Erzähltrick, der das Buch beunruhigend macht. Bis zum Schluss hält Gowdy, trotz so mancher Erzählschwäche (ist das wirklich Stockholm-Syndrom, was sich da entwickelt, oder verfolgt Rachel einen schlauen Plan?), die Spannung aufrecht – und trifft letztendlich eine Entscheidung, über die sich streiten lässt.

Kurzum – mit Gowdy gilt es, eine interessante Autorin zu entdecken.

London: Little, Brown 2007

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.09.2007
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