Harvest

Hoffentlich gehöre ich nicht einer absoluten Minderheit an, die das Gesamtwerk von Jim Crace (signiert noch dazu) besitzt. Seit der Lektüre von „Quarantine“ bin ich ja ein treuer Fan, auch wenn ich immer wieder merke, er ist mir fast eine Nummer zu groß, ...

...denn diese Sprache mit jeder Nuance zu schätzen, ist ja fast unmöglich. Crace ist nicht nur unglaublich wortmächtig, seine Sätze sind auch fein ziseliert, in jedem das berühmte mot juste. Allein das ist eine Freude – sich von dieser Sprache tragen zu lassen.

Craces neuer Roman hat eine fast mythische Dimension und handelt – ganz zeitlos oder aktuell, wie auch immer man will – vom displacement. Zeit und Raum sind nur vage spezifiziert, wir reden von einem England im siebzehnten, frühen achzehnten Jahrhundert vielleicht? Es ist die Zeit, da das Land eingezäunt werden soll, da sich große Veränderungen bemerkbar machen; zusammengefasst mag man sagen: The sheaf is giving way to sheep", aber da ist mehr: Da ist Ordnung und Glockenläuten und das Versprechen einer Modernität, die die Ansässigen nicht unbedingt wollen, denn sie sind auf ihren eigene Weise mit dem Land verbunden: "This land," Master Kent says, "has always been much older than ourselves ... Not any more." Erzählt wird uns das alles von Walter Thirsk, der mit dem bisherigen Besitzer der Liegenschaft, Master Kent, auf vertrautem Fuß stand. Doch da dieser kinderlos blieb, geht nach dem Tod der Frau das Land auf Master Jordan über, der Einzäunungspläne und große Versprechen mitbringt. Das Land ändert sich, nicht zuletzt dadurch, dass der Kartograph Mr Quill plötzlich mit seiner Kunst das Land abstrahieren kann, sodass Walter merkt, wie es ihm dadurch fremder wird, er seinen Halt zu verlieren droht. Den Halt zu verlieren droht er auch dadurch, dass ein „unerhörtes Ereignis“ das bisherige Gleichgewicht aus den Fugen bringt. Zwei Männer und eine auf seltsame Weise anziehende Frau werden als Sündenböcke für Brandstiftung ausgemacht (Walter weiß, dass sie es nicht waren); von Hexerei ist plötzlich die Rede, von allgemeiner Unruhe – und dies macht die Ausgangslage für Veränderungen noch leichter; das Unausweichliche kann sich rascher vollziehen. Wem das alles zu kompliziert erscheint – mit „Quarantine“ beginnen, dann „Being Dead“ lesen; dann sind Sie für „Harvest“ auch gerüstet. Ich freu mich schon auf den neuen Crace – auch wenn mir vorkommt, die Wartezeiten werden länger.

London: Picador 2013; pp. 273

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
03.04.2013
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