Gagarin Way

Burke, von dem es lakonisch heißt: he fulfilled a variety of vital roles in the minimum wage economy, hat mit seinem Erstling beim Fringe Festival einen Hit gelandet, und nun wandert sein Vier-Personen-Stück, trotz starken schottischen Akzents, mit großem Erfolg von Theater zu T ...

Burke, von dem es lakonisch heißt: he fulfilled a variety of vital roles in the minimum wage economy, hat mit seinem Erstling beim Fringe Festival einen Hit gelandet, und nun wandert sein Vier-Personen-Stück, trotz starken schottischen Akzents, mit großem Erfolg von Theater zu Theater.
Fast möchte man es ein Lesedrama nennen, denn von der kurzen Explosion von Gewalt am Ende abgesehen, ist es ein Stück talking heads. (Tiffanys Inszenierung sorgt aber dennoch für genug Komik.)
Eddie, knapp über 30 und versiert in Sartre und Genet, erklärt Tom, einem Wachebeamten, dass es um einen kleinen Raub geht; daher bekomme er, der einstige Student der Politikwissenschaft, auch die 200 Pfund, damit er die Tür offen lasse. Als aber Gary, Eddies Freund, fellow worker und fellow criminal, mit Frank, den er gekidnappt hat, auftaucht und Tom unglücklicherweise nochmals kommt, weil er seine Schirmkappe vergessen hat, nimmt das Vier-Personen-Unglück seinen Lauf.
Mit dem Kidnapping wollen Eddie und Gary ein Anti-Globalisierungs-Statement geben, aber Frank ist leider kein kapitalistischer Oberschurke (er hätte übrigens Japaner oder Amerikaner sein sollen, ist aber aus Leven, Fife) und nun beginnt eine gleichzeitig absurde wie auch bedrohliche Auseinandersetzung um Politik und Moral. Tom bringt immer wieder die persönliche Note hinein, Gary versucht auf einer politischen Ebene zu verstehen, Frank erklärt, dass sich der Kapitalismus nicht rechtfertigen muss ("There's no need for defences when something's everywhere"), Eddie schließlich, ein durchaus sympathischer, geistreicher Zeitgenosse, lässt hingegen, als Kontrapunkt zum System, seinem persönlichen Psychotentum freien Lauf.
Burke hat - und wann hat es denn das zuletzt schon gegeben - ein höchst politisches und gleichzeitig ein höchst unterhaltsames Stück geschrieben, das sich durch die Gegensätze von Ernst und Aberwitz, Verantwortung und psychotischer Zerstörungswut, lyrischen Passagen und plötzlicher Aggression ganz ausgezeichnet aufbaut. Hinzu kommt, dass der Gegensatz von (sich selbst reflektierenden) Underdogs und kompetentem Weltwissen, von treffsicherer Analyse und schottischem Dialekt eine eigene Komik erzeugt, die von den ersten Dialogen an deutlich spürbar ist. Diese Mischung aus Mikro- und Makrokosmos (schon im Titel signalisiert: Gagarin Way heißt eine Straße in Lumphinnans) macht das Stück, so bin ich überzeugt, zu einem Klassiker des zeitgenössischen Polit-Theaters.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/gagarin-way.html
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