King hat mich als Leser, als Sammler, als Komplettist jahrzehntelang begleitet, und ich muss nach wie vor sagen: Der Mann ist ein Genie – mit allen Höhen und Tiefen.

Diese Sammlung von vier längeren Kurzgeschichten (in der deutschen Übersetzung gar Novellen genannt) beweisen es erneut. Je weniger sich King dem Übernatürlichen verschreibt, je mehr er dem Alltag (dem „Alltag“) seine Aufmerksamkeit widmet, desto besser ist er. In seinem Nachwort (und ich liebe seine Vor- und Nachworte) meint er, es gehe ihm darum zu zeigen, wie sich gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen verhalten, und das tut er hier an folgenden vier Beispielen: In „1922“ hat ein Mann seine Ehefrau (mithilfe seines Sohnes) umgebracht. In „Big Driver“ wird eine Schriftstellerin das Opfer einer Vergewaltigung und beschließt, sich zu rächen. In „Fair Extension“ (der kürzesten und unwirklichsten der Geschichten) wird das Hiob-Motiv abgewandelt; und in „A Good Marriage“ entdeckt eine Ehefrau nach vielen Jahren, dass ihr Mann ein Serienkiller ist.

Da wir nicht gemetzelt und pausenlos Schrecken erzeugt; da werden schon Grausamkeiten fast lakonisch eingestreut; aber da wird vor allem das plötzliche Entsetzen geschildert, die quälende Furcht danach, der Versuch, das Ungeheuerliche zu verdrängen. Da wird – stets ein Markenzeichen Kings – unglaublich viel (amerikanischer) Alltag geschildert (wie gut muss er sich für „1922“ vorbereitet haben!), da wird ordentlich an die brüchige Wand zwischen Normalität und Wahnsinn geklopft.

Tun Sie sich was Gutes – lauschen Sie dem Klopfen!

New York: Scribner 2010; pp. 368