Freedom

Genau vor acht Jahren habe ich also „The Corrections“ begeistert rezensiert. Nun bin ich also mit großen Erwartungen zum Franzenschen Familieneintopf zurückgekehrt, habe freudig ein paar alte Geschmackserlebnisse wiedergefunden und dennoch feststellen müssen: So wie damals schmeckt es halt nicht ...

Genau vor acht Jahren habe ich also „The Corrections“ begeistert rezensiert. Nun bin ich also mit großen Erwartungen zum Franzenschen Familieneintopf zurückgekehrt, habe freudig ein paar alte Geschmackserlebnisse wiedergefunden und dennoch feststellen müssen: So wie damals schmeckt es halt nicht mehr!

„Freedom“ ist ein umfangreicher Familienroman, der uns zuerst mit dem Ehepaar Patty und Walter Berglund bekannt macht (über die Nachbarn). Wir erfahren dann sehr viel über Pattys Kindheit/Jugend (meines Erachtens der beste Teil des Romans), wechseln dann zu Pattys Tagebuch, das noch von Richard Katz, einem Jugendfreund Waters und ein wenig ‚alter ego‘ zu Franzen, sowie von Walter selbst gelesen werden wird – was zu Trennungen führt. Wir lernen ausführlich den gewissenlosen Sohn von Patty und Walter (?) kennen, wir lernen überhaupt eine Menge Charaktere kennen.

Und weil es ein Franzen ist, stehen wir ihnen mit großer Neugierde gegenüber – bis zu dem Zeitpunkt, da man sich fragt: Hey, will ich das eigentlich so genau wissen? Interessiert es mich wirklich, was die da mit ihrem Leben machen?

MEINE Antwort ist – herzlich wenig. Keine Frage: Franzen ist ein ausgezeichneter Erzähler. Das ist exzellent geschrieben, da steckt viel Entwicklungsarbeit drin, da steckt (auch auf subtile Weise) ungeheuer viel Zeitgeschichte drin, da können wir gleich eine ganze Serie von Spiegelbildern herbeibeschwören, aber übrig bleibt trotzdem: Ja, eine Handvoll Amis, okay, sollen sie, wenn sie meinen etc.

Kann sein, dass mich der Roman auf dem falschen Fuß erwischt hat; kann sein, dass ich diesmal für Weitläufigkeit keine Zeit hatte, kann sein, dass ich mir –ausnahmsweise – einen Erzähler gewünscht hätte, der seine sieben Sachen besser beisammenhält. Franzen ist ein Ausschütter, keiner, der sorgfältige Pinselstriche zieht. Was ihm einfällt, wird hineinverpackt, sodass wir dann vorm riesigen Familienschüttbild stehen und schauen müssen, was wir uns alles wieder herausholen (wollen).

Dass er nicht für den National Book Award nominiert wurde, mag Franzen ärgern – wir freuen uns ein ganz klein wenig, denn vielleicht kommt er nun früher mit einem Roman heraus, der kein Familienepos ist. Sonst müssen wir gleich Tolstoi lesen, das zahlt sich immer aus.

New York: Farrar, Straus and Giroux 2010; pp. 562

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Sprache
Deutsch
Anbieter
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Veröffentlicht am
01.12.2010
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