Filth

"Alt werd' ich", hab ich mir bei der Lektüre dieses Buches, die übrigens unverhältnismäßig lange gedauert hat, gedacht. Früher hätte ich es vielleicht auch cool gefunden, dass Welsh so viel sprachlichen filth ausbreitet, aber allmählich ging mir das ewige fucking und cunt auf die Nerven. Jedoch ...

"Alt werd' ich", hab ich mir bei der Lektüre dieses Buches, die übrigens unverhältnismäßig lange gedauert hat, gedacht. Früher hätte ich es vielleicht auch cool gefunden, dass Welsh so viel sprachlichen filth ausbreitet, aber allmählich ging mir das ewige fucking und cunt auf die Nerven. Jedoch nicht nur deswegen war ich immer wieder versucht, das Buch zur Seite zu legen. Viel anstrengender war es, den "Helden" des Romans, Detective Sergeant Bruce Robertson aus Edinburgh, durch das Buch zu begleiten. In meinem ganzen Leseleben habe ich keinen so widerlichen Charakter kennen gelernt! Welsh hat offensichtlich alles, was rassistisch, sexistisch, beschränkt, geifernd, erniedrigend oder einfach saublöd ist, in dieser Figur gesammelt, und wenn wir 200 Seiten lang mit ihm zu tun hätten, so dachte ich mir, dann wäre die Übung gelungen und wir könnten Brucie abhaken.
Jetzt, endlich am Ende des Buches angelangt, muss ich sagen: Die letzten 100 Seiten waren außerordentlich packend! Und hätte Welsh der Darstellung des Gemeinen nicht drei Viertel des Buches gewidmet, dann würde ich sagen: ein gelungener Roman, der endlich wieder einmal beweist, dass Literatur verstören kann und muss. So aber ist uns Bruce schon nach zehn Seiten unsympathisch genug, und er lässt es uns auch zwischendurch wissen: "I come from a lot dirtier, filthier places than doon a fucking pit, as this wee tart's aboot tae find out." Die Frauen, für ihn sowieso allesamt Huren, nachdem ihn seine Frau verlassen hat, haben sowieso kein anderes Schicksal als "tae find out", wie gut bestückt Bruce ist. Zum kinky sex kommt noch eine Lust- und Koksreise nach Amsterdam, und wenn Bruce Dienst hat, dann frönt er eher dem Saufen und Vögeln nach Herzenslust, denn er ist "a polis" und kann sich alles erlauben.
Man sagt, Welsh mache sich mit seiner Kreation von Bruce über Figuren von Martin Amis und Ian Rabkin lustig, aber das ist wohl eine Ebene, die dem zufälligen Leser verborgen bleibt. Sichtbar ist dieses endlose Ausbreiten einer widerlichen Natur - bis plötzlich das Buch zu kippen beginnt. Hinter Bruce Robertson, der in seiner Gemeinheit larger than life wirkt, kommt plötzlich eine erbärmliche, kranke, gespaltene Figur zum Vorschein; aber die Kindheitstragiknummer geht nicht ganz auf, und so bleibt "Filth" ein Roman um eine Figur, von der man sich fragt, wozu sie eigentlich geschaffen wurde.
Wenn Sie es durchhalten "Filth" zu lesen (der Titel ist eigentlich Inhaltsangabe genug), dann werden Sie mit einem Psychogramm belohnt, das seinesgleichen sucht. Aber ich warne Sie: Es ist in vielerlei Hinsicht anstrengend.
Nehmen Sie daher dies als längeren Hinweis, nicht unbedingt als Empfehlung. (Sie werden das Buch daher auch nicht in MYW als Reading tip finden!) Wenn Sie sich das Buch kaufen, beachten Sie dass Sie die Auswahl haben: "Filth" verbirgt sich unter diversen knallbunten Einbänden."

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/filth.html
Kostenpflichtig
nein