Everything Is Illuminated

Anstrengend, anstrengend, anstrengend. Und dennoch unterhaltsam, dennoch bedrückend. Safran Foer, postmodern und gewiss ein Erzähltalent, verliert seine Leser/-innen möglicherweise manchmal dort, wo zwischen Erzähl-Bravur und Spielwiese nicht mehr so genau unterschieden werde ...

Anstrengend, anstrengend, anstrengend. Und dennoch unterhaltsam, dennoch bedrückend. Safran Foer, postmodern und gewiss ein Erzähltalent, verliert seine Leser/-innen möglicherweise manchmal dort, wo zwischen Erzähl-Bravur und Spielwiese nicht mehr so genau unterschieden werden kann, schafft es aber doch, ein erzähltechnisch interessantes, fast experimentelles Buch vorzulegen, das eine Geschichte vermittelt und dennoch nicht in braver Narration daherkommt.
Eigentlich sind es drei Geschichten, die erzählt werden, aber wir alle kennen ja "the basic interconnectedness of all things" (Douglas Adams). Da ist der junge Alex, der in Odessa ein halbwegs unbeschwertes Leben führt und den Übersetzer für einen jungen amerikanischen Autor, der Jonathan Safran Foer heißt, spielt. Wir lesen in einer Geschichte die Briefe, die Alex an Jonathan richtet. Im zweiten Strang bekommen wir erzählt, wie Alex, sein Großvater und der Hund Sammy Davis Junior, Junior den Schriftsteller Jonathan auf seiner Ukraine-Reise begleiten. Jonathan sucht den Ort Trachimbrod und jene Frau, die seinen Großvater im Krieg vor den Nazis gerettet hat. Eine skurrile Odyssee beginnt...
Und dann ist da noch die von Jonathan verfasste Geschichte des shtetls Trachimbrod, vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Auslöschung durch die Nazis, einem grauenhaften, an Einzelschicksalen vorgeführten Ereignis.
Bei all dem steht Sterne genauso Pate wie Singer, in der Typographie eher Sterne, in der Darstellung des shtetl-Lebens Singer. Im Zusammenspiel der drei Stränge ergibt sich die volle Geschichte und allmählich verstehen wir und "everything is illuminated" (dies gilt auch im wörtlichen Sinn: die brennenden Synagogen). Aber gerade bei der Darstellung der Shoah wechselt Safran Foer zwischen unmittelbarer Drastik und übertriebener Vielstimmigkeit. Noch gewöhnungsbedürftiger, aber auch viel unterhaltsamer ist der Sprachgestus, der Alex zugedacht wird. Er schreibt ein Russo-Englisch, in das man sich erst einlesen muss. Das ist ihm durchaus bewusst, und er sagt über sich: "My second tongue is not so premium." Für Jonathan ist die Reise nicht nur deswegen schwierig, denn sein Übersetzer schmückt aus und verschweigt ("We are being very nomadic with the truth."). Aber aus diesem Aufeinandertreffen von Kulturen, die die seltsame Vierergruppe spiegelt, ergibt sich fast ein Übermaß an Komik.
"Everything Is Illuminated" ist also nicht für die Schnelllektüre geeignet, aber das Buch ist die Zeit wert, ragt

es doch aus einem Erzähl-Einerlei aus vielerlei Gründen heraus. Safran Foer mag zwischen Irritation und Brillanz wechseln, aber das macht nur noch neugieriger darauf, wie er, der 1977 geboren wurde, sich wohl weiterentwickeln wird.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/everything-is-illuminated.html
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