Was mich gereizt hat, war der Titel, denn seit Weiss‘ „The Roaches Have No King“ bin ich ein großer Fan von Küchenschabenromanen jeder Art.

Der namenlose Ich-Erzähler, Einwanderer aus Beirut, lebt in einem Montreal, das wir als Touristen nie kennen lernen: Kalt und dunkel ist es dort, das Elend lässt sich nur mühsam mit allerlei Gaunereien und/oder aber der Exotischer-Fremder-Masche bewältigen.

Der Ich-Erzähler hat einen Selbstmordversuch unternommen, nun berichtet er seiner Therapeutin aus seinem Leben, das er, wie er meint, als halbe Küchenschabe zubringt. (Diese Küchenschaben-Existenz soll ihm – so wünschen wir – am Ende des Romans noch gute Dienste erweisen.) Wir erfahren von seiner Feigheit, die zum Tod der Schwester führt, wir erfahren von seinem eher armseligen Leben einst und jetzt. Ein paar Diebstähle und einem sinnlosen Einbruch bei seiner Therapeutin weiter, erleben wir ihn als Hilfskraft in einem iranischen Restaurant. Dort ergibt sich für ihn endlich eine Möglichkeit zur Erlösung: Er kann seiner iranischen Freundin Shohreh, die ihren einstigen Peiniger als Gast im Restaurant wiedererkennt, helfen, ihre eigene Vergangenheit voller Demütigungen abzuschließen.

Nicht Kafka stand für den Ich-Erzähler Pate, sondern eher Jean Genet. Gewalt. Rücksichtlosigkeit, Sexualität – und eine Handvoll schöner Geschichten, mehrere Handvoll schauriger Geschichten aus der Vergangenheit ergeben einen Erzählteppich in bester arabischer Tradition. Da wir zur Not ein Muster zu viel als zu wenig verarbeitet, da wird zur Not zu viel verziert und gefranst. Nicht immer geschieht das zu unserer Zufriedenheit, aber im Endeffekt überwiegen Neugier und Lesefreude. „Cockroach“ ist, wie Hages Erstling („De Niro’s Game“), ein preisgekröntes Buch. Und diese Würdigungen kommen nicht von ungefähr – eine Entdeckungsreise wert!

London: Hamish Hamilton 2009; pp. 305