Bring Up the Bodies

Mit dem ersten Buch über Thomas Cromwell habe ich mir ja ziemlich schwer getan (s. Archiv), musste es aber lesen, weil Mantel schon 2009 denn Booker Prize dafür gewonnen hat. (Sie ist übrigens neben Carey und Coetzee die dritte, die den Booker zweimal gewinnt.)

Umso überraschter war ich, mit welcher Gier und Neugierde ich den zweiten Teil las. Es liegt im Wesen des historischen Romans, dass wir wissen, was passiert: Anne Boleyn wird geköpft werden, Cromwell, auf dem Höhepunkt der Macht und Ausputzer für den König, wird nicht mehr lange leben. Und die schlau-frömmelnde Jane Seymour wird auch von ihrem Schicksal ereilt werden. Aber das sind keine Gedanken, die wir beim Lesen verschwenden. Wie Cromwell Beleidigungen hinnimmt (immerhin ist er bloß Sohn eines Schmieds) und mit welcher Meisterschaft und welcher Gelassenheit er seine Gegner letztendlich in die Schranken weist, zeigt, dass hier ein großes Talent der politischen Intrige am Werk ist. Dabei wirkt Cromwell nie unsympathisch, sondern einfach wie ein kompetenter Bereiniger von Fehlern, die sein leicht weinerlicher (und widerlicher) König (Heinrich VIII) unentwegt macht. Aber auch die Frauen, sowohl Anne als auch Jane, zeigen, dass sie gelernt haben, in diesen unruhigen Zeiten zu leben (und zu sterben).

Mantel schildert die Jahre 1535 und 1536 so überzeugend, dass man bisweilen vergisst, wie viele Jahrhundert zwischen dem Heute und den historischen Ereignissen liegen. Die Diskussionen der Männer über das weitere Vorgehen in Bezug auf Anne, der nachgewiesen werden soll, dass sie den König von jeher betrogen hat, haben die Raffinesse von Stammtischpatriarchen. Und ein Thomas Cromwell verstrahlt eine Sicherheit und Kompetenz, die nicht einmal Harvey Keitel als Winston Wolf in „Pulp Fiction“ hinkriegt. (Okay, vielleicht kein guter Vergleich, aber trotzdem hat sich das Bild bei mir aufgedrängt.)

Mantel ist natürlich eine Meisterin der Sprache, und der zweite Band ist auch kompakter und lebendiger als der erste, so meine bescheidene Meinung. Wäre ja spannend, wenn der dritte Band auch ins Booker Prize-Rennen mitgeht.

London: Fourth Estate 2012; pp. 407

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.11.2012
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