Boogie-Woogie

"Boogie-Woogie" ist ein Roman aus der New Yorker Kunstszene, und er ist gleichzeitig ein Kaleidoskop von Ängsten und Hoffnungen einer Handvoll Leute, die – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – in einer Welt leben können, die mit der der meisten Leser/-innen wohl wenig zu tun hat. Dennoch ist ...

"Boogie-Woogie" ist ein Roman aus der New Yorker Kunstszene, und er ist gleichzeitig ein Kaleidoskop von Ängsten und Hoffnungen einer Handvoll Leute, die – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – in einer Welt leben können, die mit der der meisten Leser/-innen wohl wenig zu tun hat. Dennoch ist es ein faszinierender, wenn auch mitunter ermüdender Roman. Moynihan, der offensichtlich weiß, wovon er schreibt, hat eine Vielzahl von Figuren versammelt, die er ihre Schwenks und Pirouetten, ihre Schritte und Pausen vollziehen lässt, und die Leser/-innen müssen sich erst daran gewöhnen, wer wann warum mit wem wohin tanzt. Der Titel ist eine Verneigung vor Mondrians Spätwerk "Broadway Boogie-Woogie", das weniger von der formalen Strenge früher Bilder zeigt, sondern bunter und vielfältiger wirkt.

Analog dazu sind hier zahlreiche seltsame Figuren versammelt, wie zB: Galeriebesitzer (und bisweilen zwielichtig agierend) Art Spindle; seine Angestellte Beth, die kündigt und eine eigene Galerie eröffnet; 'Bitch' Quaile, die 'Freundin', die sie ersetzt; die lesbische Videokünstlerin Elaine, die Beth und Brigid, die Krankenschwester, die wir bei dem uralten Mondrian-Besitzer und Kunstsammler Rhinegold wiederfinden, verführt. Überhaupt: die Kunstsammler. Die Rhinegolds und die Maclestones; bei letzteren bahnt sich gerade eine handfeste Ehekrise an, da Jean ein Verhältnis mit Art hat. Schließlich: diverse Künstler/-innen, Möchtegern-Künstler/-innen, Kunstkritiker und Adabeis. Obendrein der höchst interessante Butler Freign, der bei den Rhinegolds arbeitet.

Sie alle verbindet Kunst als Lebenszweck und Ware; die Galerie ist die eigentliche Welt, der die andere unterzuordnen ist – sofern es sich nicht um das andere Sinn stiftende Element im Leben der Akteure und Aktricen handelt: Sex. Davon findet sich in dem Buch genug in jeder Erscheinungsform, und wer hier auf ein schöngeistiges Buch gehofft hat, muss leider enttäuscht werden. (Wer ein Buch lesen will, in dem Sexszenen dicht gestreut sind, wird bestens bedient.)

Die wirkliche Draufgabe ist meines Erachtens aber der Witz, mit dem sich Moynihan über die Kunstwelt einerseits, über die (Kunst) Sprache andererseits lustig macht. Wo Beth in jeden Satz drei like einstreut, da streuen Kunstkritiker viele schöne Worte auf Banalitäten. Mein Lieblingsdialog aber ist der zwischen Beth und Paige auf den Seiten 13-15, über I kinda saw Matt Dillon. Das ist auch minimalist art!

Zum Schluss noch ein Tipp: Bevor Sie das Buch Ihren kunstinteressierten Schülerinnen und Schülern geben, sollten Sie es vielleicht doch selber lesen und überlegen, ob Sie es ihnen (aus den unterschiedlichsten Gründen) zumuten können.

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/boogie-woogie.html
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