Blind Faith.

Eine Gesellschaft, in der MacDonalds zu den feineren Restaurants gehört, kann ja wahrlich nur schrecklich dystopische Züge tragen. Aber in Wirklichkeit ist alles viel schlimmer….
"Before the Flood" (da leben wir) war alles unerträglich: Die Menschen lasen Bücher, vorwiegend fiction, und hatten ...

Eine Gesellschaft, in der MacDonalds zu den feineren Restaurants gehört, kann ja wahrlich nur schrecklich dystopische Züge tragen. Aber in Wirklichkeit ist alles viel schlimmer….

"Before the Flood" (da leben wir) war alles unerträglich: Die Menschen lasen Bücher, vorwiegend fiction, und hatten keinen rechten Glauben – weder an Gott noch an sich selbst. Nun aber sorgt "The Temple" dafür, dass alle Gott lieben, the Love lieben, einander lieben. Das geschieht meist recht lautstark und wird in alle möglichen Wohnungen übertragen; gleichzeitig kann man alle wichtigen Ereignisse (vor allem jene sexueller Natur, aber auch Geburten etc.) in den unzähligen Video-Blogs mitverfolgen, denn alle, aber auch wirklich alle Daten sind erfasst und öffentlich zugänglich. Am Arbeitsplatz, den man sporadisch aufsucht, ist Zeit genug für Gruppenkuscheln und Doughnut-Orgien. (Denn nur süß ist gut).

Wie es sich so gehört in einer dystopischen Gesellschaft, müssen einige wider den Stachel löcken. Hier ist es Trafford Sewell, der verspürt, dass so etwas wie Privatsphäre willkommen wäre. Er löckt also – und lernt Cassius kennen, der ein Vaccinator ist, jemand, der die hohe Kindersterblichkeit nicht hinnehmen will, und heimlich Kinder impft. Er lernt auch Sandra Dee kennen (und lieben), denn bei ihr verspürt er ebenfalls Widerstandsgeist.

Als das Baby von Trafford und Chantorria zwei Seuchen überlebt, glaubt Chantorria an ein Wunder; sie sieht sich auserwählt - und wird auch vom örtlichen Oberprediger entsprechend hofiert. Trafford hingegen schließt sich den Humanists an, die heimlich Darwin lesen und an die Vernunft glauben. Wächst der Widerstand? Kommt der Umsturz?

Es wäre wohl keine ordentliche Dystopia, ginge das alles so einfach. Wir wissen, dass man entweder verliert oder den Feind zu lieben beginnt. Oder kann ein Stück Hoffnung bleiben? Ich verrate es Ihnen nicht, denn Eltons Buch ist so flott und mit ein paar guten (wenn auch z. T: vorhersehbaren) Wendungen geschrieben, dass ich den Verlauf der Geschichte nicht verraten möchte. Wie immer beweist er eine gute Hand für die Parodie (Predigten) und ein Gespür für Peinlichkeiten (allein die Namensgebung – man denke da an das Baby Caitlin Happymeal). Und wie wir schon in "Chart Throb" (s. Archiv) gesehen haben, ist Elton ein Meister, wenn es um die Darstellung von allerlei Vertrottelungsmechanismen geht. Wer also eine lesbare Dystopie sucht, wer Jugendlichen, die sich mit den Klassiker in diesem Genre schwer tun, zeigen möchte, wie diese Romangattung funktioniert, und wer ihnen noch dazu ein paar ziemlich unterhaltsame Stunden bescheren möchte, der empfehle vorerst dieses Buch. Zu den Klassikern hanteln sie sich dann vielleicht ganz von selber vor.

London: Bantam 2007

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.01.2008
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/blind-faith.html
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