Big Women

"Fay Weldons neuester Roman ist eine deutliche Absage an "Little Women" und hat gleichzeitig alle Züge einer Männersaga aus der Verlagswelt, mit dem deutlichen Unterschied, dass eben Frauen, fast märchenhaft verkehrt, für all die Intrigen, Probleme, Erfolge und Höhenflüge sorgen, die im Bigbusin ...

"Fay Weldons neuester Roman ist eine deutliche Absage an "Little Women" und hat gleichzeitig alle Züge einer Männersaga aus der Verlagswelt, mit dem deutlichen Unterschied, dass eben Frauen, fast märchenhaft verkehrt, für all die Intrigen, Probleme, Erfolge und Höhenflüge sorgen, die im Bigbusiness vorkommen. Natürlich ist's nicht wirklich so märchenhaft, wie ich unterstelle, denn die Geschichte des Medusa-Verlages findet sicher ihre Parallelen beim berühmten Virago-Verlag, der vor einigen Jahren aufgekauft wurde und nun - wenn ich mich nicht irre - als Nachlassverwalter die Bertelsmann-Gruppe gefunden hat.
Medusa beginnt zuversichtlich: Layla bringt das Geld und das undogmatische Bewusstsein, gerade weil sie sagt: "I am the only right-thinking feminist there is." Alice, die Akademikerin, bringt die Theorie, auch wenn sie schließlich so sehr mit dem Zeitgeist geht, dass sie bei den Spinnern in Glastonbury landet. Stephanie ist die Dogmatikerin, nachdem sie nackt - ohne alle Besitztümer - Ehemann und Kinder verlassen hat. Nancy schließlich, die ihren Macho-Freund, mit dem sie aus Neuseeland auf Urlaubsreise nach London gekommen ist, verlässt, bringt wenigstens ein paar solide Arbeitstugenden mit, die notwendig sind, um einen Verlag zu führen. Natürlich sind da auch Männer: dumm in ihrem Selbstbewusstsein, beschränkt in ihrer Selbstherrlichkeit - aber offensichtlich unentbehrlich, vor allem aber unüberseh- und hörbar. Und sie verleiten die starken Frauen zu Sündenfällen, die ihre Beziehungen zueinander belasten.
Weldons Buch beginnt 1971, in einer Zeit des Aufbruchs, und endet mit dem Ende des Verlagshauses irgendwann in der Gegenwart; und Weldon versteht es, wie immer, mit wenigen Strichen die Zeit und die Umstände zu zeichnen, die die Folie für das alte Spiel um Macht und Zuneigung zwischen den Geschlechtern in einer Männerwelt liefern. Fay Weldon hat bei einer Veranstaltung in Wien einmal scherzhaft von sich behauptet, sie sei die einzige wahre Feministin; das darf bezweifelt werden. Was sie in ihren Büchern auf jeden Fall bietet, ist leicht verdauliche, unterhaltsame, feministische Lektüre für alle - männlich und weiblich. Keine langen Sätze, keine vertrackte Erzähltechnik trüben das Vergnügen - und Vergnügen ist es durchaus, "Big Women" zu lesen, nachdem ja einige Weldon-Romane der letzten Jahre schon ziemlich formelhaft wirkten. Die (Selbst)ironie, das Understatement, der leichte Sarkasmus, das Tempo - all das sorgt für leichte Lektüre, die dennoch bewusstseinsbildend wirkt. Kein Wunder, dass auch die 17/18-Jährigen mit sichtlichem Vergnügen Fay Weldon lesen. Semper aliquid haeret."

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
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