Barkskins

Autor PROULX, Annie

Verlag London: 4th Estate 2016

Proulx, berühmt für ihren Roman “The Shipping News” und ihre Erzählung “Brokeback Mountain, hat mit 80 ihr Holzfäller-Epos vorgelegt und dafür viel Lob erhalten.

In der Tat ist es ein lesenswertes Buch, auch wenn die Lektüre etwas Zeit in Anspruch nimmt. Proulx entführt uns in einem Zeitraum von 300 Jahren (1793-2013) in die Welt der arroganten und unsensiblen weißen Männer (nebst einigen Frauen) der Holzindustrie, in die Welt der indigenen Mi’kmaw, die einer solchen „Zivilisation“ nichts entgegenzusetzen haben, und in die Welt des verbissenen Handels mit China, Neuseeland, Deutschland, Südamerika.

Die Geschichte beginnt mit René Sel and Charles Duquet, zwei französischen Auswanderern, die für drei Jahre an einen ‘seigneur’ gebunden sind. Doch Charles flüchtet bei nächster Gelegenheit und wird später der Begründer des Holzimperiums Charles Duke. René dient seine Zeit ab, heiratet die Mi’kmaw-Gefährtin seines ‚seigneurs‘ und steigt ebenfalls erfolgreich ins Geschäft ein.

Durch die geschickte Verknüpfung mit der indigenen Bevölkerung erfahren wir in dem mächtigen Buch von den Schicksalen zahlreicher Protagonistinnen (der allgegenwärtigen Wirtschaftskapitänin Lavinia im 19. Jahrhundert etwa) und zahlreicher Protagonisten (der Deutsche Breitsprecher, der sich immerhin für Wiederaufforstung interessiert, verstärkt das Imperium), von der Rücksichtslosigkeit der indigenen Bevölkerung und der Natur gegenüber. Stets sind Gier und Politik im Vordergrund der Interessen, erst gegen Schluss tauchen die Öko-Nachfahren von Charles und René auf.

Aber Proulxs Interesse gilt eher der allmählichen Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert, von 1840 springen wir gleich locker in die 1960er-Jahre. Was bisweilen als Historienroman mit schwerem Tritt klingen mag, wird locker durch die enorme Vielfalt der Schicksale, die wir kennen lernen, ausgeglichen. Da ist so viel Action, Grausamkeit, Dummheit, Kühnheit etc., dass einem die Neugier nie ausgeht. Und gleichzeitig muss es für die Autorin herrlich gewesen sein, Charaktere auftauchen zu lassen, umkommen zu lassen, verschwinden zu lassen. Wer am Anfang des Kapitels noch angeblich frisches Wasser schlürft, ist ein paar Seiten später schon von der Cholera dahingerafft.

Ziehen Sie sich also in ein Waldeinsamkeits-Häuschen zurück und lesen Sie diesen Roman; sonst müssen Sie wer weiß wie viele Jahre auf so eine „Schwarte“ (im positiven Sinn) warten, die ihresgleichen sucht.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
02.03.2017
Link
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