Atonement

Peter "How can a novelist achieve atonement when, with her absolute
power of deciding outcomes, she is also God?" fragt die Erzählerin
am Ende des Buches - und lässt uns damit auch im Zweifel, wie viel
von der Geschichte wirklich wahr ist und ob sie nich ...

Peter "How can a novelist achieve atonement when, with her absolute

power of deciding outcomes, she is also God?" fragt die Erzählerin

am Ende des Buches - und lässt uns damit auch im Zweifel, wie viel

von der Geschichte wirklich wahr ist und ob sie nicht ganz anders

hätte verlaufen können oder, möglicherweise, ganz anders verlaufen

ist.

Die Geschichte beginnt im heißen Sommer von 1935; die 13-jährige Briony Tallis schreibt an einem Theaterstück, "The Trials of Arabella", für das sie ihre beiden Cousins und ihre Cousine Lola engagiert. Vom Fenster aus beobachtet sie, wie ihre Schwester Cecilia sich vor dem Sohn der Bedienerin, Robbie Turner, auszieht und in den Brunnen steigt, um eine Vase herauszuholen. Als sie später einen obszönen Brief von Robbie an Cecilia entdeckt, ist ihr Theaterstück vom wirklichen Drama überdeckt. Sie sieht sich gezwungen einzugreifen - und die Gelegenheit ergibt sich, als die beiden Cousins verschwinden und Lola bei der Suche im Dunkeln vergewaltigt wird. Wider besseres Wissen bezichtigt sie Robbie.


Nach diesem Oberschicht-Drama, das in vielen Zeilen die Atmosphäre von Gosford Park ausströmt, trägt uns die Geschichte ans Ende des Zweiten Weltkriegs. Cecilia ist Krankenschwester, hat mit ihrer Familie gebrochen und hält Kontakt zu Robbie, der gerade verletzt durch Frankreich stolpert und versucht, den Kriegswirren zu entkommen. Im nächsten Teil treffen wir wieder auf Briony, die Ambitionen als Schriftstellerin hat und gleichzeitig eine rigorose Krankenschwestern-Ausbildung durchläuft. Als Cecilia nicht auf ihre Briefe antwortet, sucht sie sie eines Tages auf und trifft dort auch auf Robbie. Briony ist bereit ihre Anschuldigungen zu widerrufen, weiß sie doch, dass Paul Marshall, ein Besucher, den ihr Bruder mitgebracht hat, Lola vergewaltigt hat. Paul hat Lola später geheiratet, und im Jahr 1999 sehen wir die Marshalls als alte, aber noch immer elegante Wohltäter.


Briony hat viele Geschichten erzählt - die, die hier vorliegt, ist vermutlich die wahre. Sie hat ihre Verbrechen ein Leben lang zu sühnen gesucht, die ganze Wahrheit wird nach ihrem Tod offenkundig werden. Aber uns Leser/-innen beschleichen bis zum Schluss nagende Zweifel: Was ist die ganze Wahrheit, wenn die Schriftstellerin alle Macht über ihre Geschöpfe hat? Von den Fragen zur Rolle der Erzählerin abgesehen - erzählt wird hier, mehrfach gebrochen, eine "ungeheuerliche Begebenheit", die den Alltag unterbricht und die das Leben zahlreicher Charaktere entscheidend verändert. Erzählt wird auch makellos, mit einem vortrefflichen Auge für Details, so vortrefflich, dass es manchmal schon manieriert wirkt. McEwan hat auf jeden Fall nach dem ziemlich durchschnittlichen "Amsterdam" wieder einen großartigen Roman vorgelegt, für den es sich lohnt, einige Lese-Mühen auf sich zu nehmen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
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