Astonishing Splashes of Colour

Morrall war die Überraschung auf der Booker Shortlist 2003; der Roman der Lehrerin aus Birmingham wurde in einer Auflage von 2000 Stück gedruckt, und schon als sie die Longlist schaffte, wurden bis zu 100 Pfund für ein Exemplar der Erstauflage bezahlt. Das macht immerhin allen Schriftstellerinne ...

Morrall war die Überraschung auf der Booker Shortlist 2003; der Roman der Lehrerin aus Birmingham wurde in einer Auflage von 2000 Stück gedruckt, und schon als sie die Longlist schaffte, wurden bis zu 100 Pfund für ein Exemplar der Erstauflage bezahlt. Das macht immerhin allen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die 'rejection slips' sammeln, Mut.
Kitty, die Heldin des Buches, dessen Titel aus "Peter Pan" stammt (und der auf das Kindheitsthema verweist), hat ein hochgradig synästhetisches Empfinden. Sie nimmt Verlust, Trauer, Neid etc. als Farben wahr, etwa die Welt ihres Vaters, eines Malers und jähzornigen Menschen, als Rot. Das mag ein bisschen platt wirken, kontrastiert aber in seiner Farbenpracht mit der vorwiegend grauen Welt Kittys, die Kinderbücher rezensiert und fast pathologisch mit dem Verlust ihres Kindes (ein tot geborenes Baby) kämpft.
Kitty stammt aus einer großen Künstlerfamilie, in der sie sich, die Jüngste, immer ein bisschen ausgeschlossen fühlt. Als sie beim Begräbnis der Großeltern ihre (vermeintliche) seit 30 Jahren von den Kindern für tot gehaltene Mutter trifft, entdeckt sie auch, warum sie sich nie in die Runde der Geschwister einfügen konnte. Aber das ist nicht Kittys eigentliches Problem: Sie will unbedingt ein Kind, entführt ihre Nichten ins Theater, hängt vor Schulen herum, entführt ein Baby, nimmt sich einer Jugendlichen an, steuert mit ihr auf eine vielleicht heilsame Katastrophe zu.
Das hätte ein wirklich interessanter Roman werden können, auch erzähltechnisch finden sich da insofern gute Ansätze, als Kittys launische Art auch einer launischen Sequenzierung der Geschichte entspricht, aber irgendwie drängen sich die Farbkleckse des Titels in den Vordergrund – mit dem Nebeneffekt, dass wir auch die vielen grauen, durchaus langatmigen Stellen bemerken. Wie bei vielen englischen Romanen sind Komik und Tragik hübsch gemischt, aber letztendlich entwirft Morrall eine ziemlich platte Welt der Obsessionen und Depressionen. Wer Birmingham einigermaßen gut kennt, wird mit ein bisschen vertrautem Lokalkolorit verwöhnt (wie oft drehte ich schon im 11er-Bus meine Runden), aber für ein Meisterwerk reicht das noch lange nicht.
Freuen wir uns trotzdem mit Morrall und der Tindal Press über den Erfolg; das ist immerhin "the most astonishing splash."

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/astonishing-splashes-of-colour.html
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