Actress
Autor ENRIGHT, Anne
Verlag London: Jonathan Cape 2020
Sehr konsequent hat sich Enright, die 2007 für „The Gathering“ den Booker Prize erhielt (s. Archiv), in die ersten Ränge der irischen Gegenwartsliteratur geschrieben.
Diesmal erzählt uns Norah (58) die Geschichte ihrer Mutter, der berühmten irischen (fatalerweise in England geborenen) Schauspielerin Katherine O’Dell, die im Alter von 58 Jahren - eher verwirrt – gestorben ist. Norah erzählt damit auch ihre eigene Geschichte und die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, die immer vom Theater/dem Theatralischen geprägt war, auch wenn es nur ums Frühstück ging. Katherine ist der geborene Star (“A star is born not made,” she aphorizes. “Whatever a star has, they had it all along.”), die Brecht und Beckett spielt, Yeats liest, in Hollywood Karriere macht – und dann der Vergessenheit mehr oder weniger anheimfällt, auch wenn sie mit einem Schuss einen theatralischen Schlussstrich unter ihre Karriere zieht.
Ausgelöst wird die Geschichte durch eine Doktorandin, die Katherine de-ikonisieren will (what was she really like) und damit bei Norah, 25 Jahre nach dem Tod der Mutter, eine Erinnerungsreise auslöst, die sie, als Autorin von 5 Büchern, in ein Buch verwandeln will/kann, offensichtlich adressiert an ihren Mann.
Katherine debutierte mit 10 und hat, wie gesagt, Schauspielerei sowohl ins Theater als auch in die Wirklichkeit getragen. Norah erzählt, wenn sie von sich erzählt, eher von den banalen Dingen des Lebens, ein paar seltsamen Affären, einer langen Ehe; und eben von den Begegnungen mit der schillernden Mutter, die sich neben ihrer schauspielerischen Tätigkeit als IRA-Sympathisantin gerierte und für irische Butter warb.
Der Schuss, den Katherine abgab, ist wohl auch ein Endpunkt zur (subtilen) Demütigung durch selbstverliebte Männer; immerhin lernen wir so nebenbei 60er- und 70er-Jahre in Irland kennen – kein Ort für klares Neinsagen von Frauen, kein Ort für Vorzeigemänner, sondern ein Ort für Geben und Nehmen mit allen Folgen der damit verbundenen Macht.
Wie immer besticht Enright durch eine klare, gehobene Sprache, die das Buch zum Lesevergnügen macht; da darf man ruhig mal über „fandangle“ stolpern und ein Wort dazu lernen (ich zumindest). Lassen Sie sich den Roman nicht entgehen!
pp. 264