A Fair Maiden
Oates gehört meines Wissens zu den Vielschreiberinnen, denen selten etwas misslingt; manchmal mag sich ein Buch ein bisschen dahinziehen, aber wie es die Frau rein zeitlich schafft, ein derartig vielfältiges Gesamtwerk zu liefern, wird mir stets ein Rätsel bleiben.
In diesem verhältnismäßig kur ...
Oates gehört meines Wissens zu den Vielschreiberinnen, denen selten etwas misslingt; manchmal mag sich ein Buch ein bisschen dahinziehen, aber wie es die Frau rein zeitlich schafft, ein derartig vielfältiges Gesamtwerk zu liefern, wird mir stets ein Rätsel bleiben.
In diesem verhältnismäßig kurzen Roman lernen wir die knapp sechzehnjährige Katya Spivak aus New Jersey kennen. Katya ist der bedrückenden Familie entflohen und verbringt den Sommer als ‚live-in nanny‘ bei den Engelhardts in Bayhead Harbor. Da wird sie eines Tages vom fast siebzigjährigen Marcus Kidder, Kinderbuchautor, Künstler und geachteter Inhaber einer Sommerresidenz am Meer, angesprochen. Er ist respektvoll, freundlich, umsichtig –und er findet, Katya sei sein ‚soul mate‘. Diese ist geschmeichelt – und fühlt sich doch etwas unbehaglich. "The curious thrill of trespass kept her captive,“ heißt es im Buch. Zwischen Zuneigung und Ekel pendelnd, besucht Katya aber dennoch immer wieder Kidder, um gegen Geld (die Spivaks haben einen Sinn dafür) Modell zu stehen. Aber allmählich mischt sich immer mehr in dieses seltsame Verhältnis, und Katya merkt, dass sie der Sache nicht gewachsen ist. Oder doch? Befindet sie sich vielleicht in einem ganz eigenartigen Märchen? In gewisser Weise ja- und Oates versteht es meisterlich, die Spannung aufrecht zu erhalten, Wendungen geschickt einzubauen, ein Gefühl für das Bedrohlich herbeizuschreiben. Am wenigsten glückt ihr da noch die Wendung ins Märchenhafte, aber das hat natürlich mit der zugrunde liegenden Erzählung zu tun. Was viel stärker im Gedächtnis bleibt, ist, wie hier gespielt wird – von beiden Seiten. Die besseren, weil in gewisser Weise gezinkten, Karten hat Kidder, der für sein Spiel wohl auch verhaftet werden würde. Lesenswert!
London: Quercus: 2010; pp. 231