White Teeth

Zadie Smith, Jahrgang 1975, hat mit diesem Roman den Whitebread Award 2000 für den besten Erstlingsroman gewonnen, und auch wenn vieles nicht ganz durchgearbeitet und schlüssig an diesem Buch sein mag, so hat sie doch einen beachtlichen Erfolg gelandet und ein nicht immer leicht zu lesendes, abe ...

Zadie Smith, Jahrgang 1975, hat mit diesem Roman den Whitebread Award 2000 für den besten Erstlingsroman gewonnen, und auch wenn vieles nicht ganz durchgearbeitet und schlüssig an diesem Buch sein mag, so hat sie doch einen beachtlichen Erfolg gelandet und ein nicht immer leicht zu lesendes, aber dennoch wirklich lesenswertes Buch geschrieben.

Smiths Universum erstreckt sich von 1857 (Mangal Pande löst einen Aufstand aus) bis 1999 (die Befürworter und Gegner eines genetischen Experiments treffen aufeinander), und es spielt vornehmlich in London; dennoch entführt uns Smith auch immer wieder an andere Orte in Jamaica, Bangladesh, Indien, Italien.

Zuerst lernen wir die Iqbals und die Joneses kennen; Samad Iqbal, Nachfahre des Mangal Pande, ist ein bengalischer Muslim; gemeinsam mit seinem Freund Archie Jones verschläft er fast das Ende des 2. Weltkriegs in Italien; 1974 finden wir sie in Nordlondon wieder, beide verheiratet, beide Väter. Archie hat die halb so alte Clara, eine Schönheit aus Jamaica (wenn auch eine zahnlose), geheiratet, sie haben eine unglücklich verliebte Tochter, Irie. Samad ist mit der resoluten Alsana verheiratet. Ihre Kinder sind die Zwillinge Magid und Millat, die eben im Jahre 1999 in Feindschaft aufeinandertreffen werden. Magid, der eifrige Student, hat viele Jahre in Indien verbracht, er kehrt als islamverachtendender Wissenschaftsfreak zurück; Millat hingegen hat sich einer fundamentalistischen Gruppe angeschlossen, ist gleichzeitig Muslim brother und Weiberheld. Die Unsicherheit des Vaters über die Rechtmäßigkeit des Lebens (konterkariert von der Entscheidungsschwäche Archies) hat sich in den Söhnen manifestiert. Samad selbst verzweifelt/resigniert im Laufe der Jahre und meint über seine Söhne: "They have both lost their way".

Das Auseinanderdriften der Familie wird durch die Chalfens befördert, selbst vor einigen Generationen aus Polen eingewandert. Marcus Chalfen ist ein brillanter Gentechniker, auf dessen Seite sich Magid schlägt. Joyce Chalfen mischt sich in das Familienleben der Joneses und Iqbals, die anfänglich vom Status der Chalfens geblendet waren; der Chalfen-Sohn Josuah hingegen schlägt sich wiederum auf Millats Seite, sodass wir am Schluss die seltsamsten Allianzen haben. (Samad hat es schon vorher gewusst: "People call it assimilation when it is nothing but corruption.")

Der Versuch, den Inhalt wiederzugeben, wird dem Roman in keiner Weise gerecht, denn Smith hat ihn mit so viel bizarren Vorfällen, amüsanten Charakteren, (quasi-) philosophischen Ergüssen und Unberechenbarkeiten, aber auch mit vielen kleinen Exkursen bevölkert, fast überfrachtet, dass sie den Inhalt auch hätte weiter wuchern lassen können.

Das Buch wird am Umschlag von Salman Rushdie (dessen "Satanic Verses" auch indirekt eine wichtige Rolle spielen) gepriesen, und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Smith sowohl beim Sujet als auch bei der Erzählweise von Rushdie gelernt hat; wie alle braven Schüler/-innen hat sie vielleicht zu ordentlich und fleißig gelernt und es noch nicht ganz geschafft, ihren eigenen Weg zu finden. Gleichzeitig wird ihr von (Sprach)kennern vorgeworfen, dass es ihr nicht immer gelingt, die unterschiedlichen Stilebenen in ihrer Zeitlichkeit in den Griff zu bekommen; die 90-er und die 70-er stehen sprachlich zu undifferenziert nebeneinander, Samad und Archie unterscheiden sich in ihrem Sprachduktus zu wenig, um wirklich als differenzierte Charaktere zu gelten. Ich lasse das dahingestellt, würde aber behaupten, dass Smith sehr wohl ein gutes Ohr für die Besonderheiten ihrer Protagonisten hat. Anders ließen sich so unterhaltsame Szenen wie Samads Auftritt bei einem Elternabend oder Magids Besuch in O'Connells heruntergekommenem Lokal wohl gar nicht bewerkstelligen.

Dies ist überhaupt ein Qualitätsmerkmal von "White Teeth": der Humor, die Satire. Hier zeigt sich, dass Smith ein großes Erzähltalent ist, das, wenn es erst einmal den zwischen den Zeilen spürbaren Wunsch, gleich den ganz großen Wurf zu tun, etwas dämmt, bestimmt noch großartige Bücher wird schreiben können. Sie dabei von Anfang an als Leser/-innen zu begleiten ist ein Vergnügen, das Sie sich nicht entgehen lassen sollten.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/white-teeth.html
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