When I Lived in Modern Times

"Scratch a Jew and you've got a story," heißt es in Linda Grants Roman, der den begehrten Orange Prize 2000 gewonnen hat und der, sofern ich das überschauen kann, das zweite Buch der in Liverpool geborenen Autorin ist.
Grant erzählt die Geschichte der zwanzigjährigen Evelyn Sert, die, als katho ...

"Scratch a Jew and you've got a story," heißt es in Linda Grants Roman, der den begehrten Orange Prize 2000 gewonnen hat und der, sofern ich das überschauen kann, das zweite Buch der in Liverpool geborenen Autorin ist.

Grant erzählt die Geschichte der zwanzigjährigen Evelyn Sert, die, als katholische Touristin verkleidet, 1946 nach Palästina reist, um dort mitzuhelfen, den neuen zionistischen Staat, der sich ankündigt, aufzubauen. In England hält sie nichts zurück; ihre Mutter, Friseuse und Geliebte jenes Mannes, der Evelyn die Reise finanziert, ist tot, das Nachkriegsengland ist ein trauriger Ort.

Aber auch Tel Aviv ist nicht das Paradies. Evelyn landet zuerst in einem Kibbuz voll bieder-fanatischer Aufbauwilliger, geht aber dann doch in die Stadt, wo sie besser hinpasst; sie findet schnell eine Wohnung und zahlreiche Bekannte, wenn nicht gar Freunde, unter den vielen Immigranten, aber auch unter denen, die einen neuen Staat schaffen wollen; als blondgefärbte Priscilla Jones wird sie auch im Frisiersalon der Mrs Kulp zusehends beliebter, obwohl sie der kleinliche Antisemitismus der Briten und deren politisches Unverständnis zusehends stören. Ihnen gegenüber täuscht sie einen englischen Polizisten-Ehemann vor, während sie sich in den "Freiheitskämpfer" (die einen) und "Terroristen" (die anderen) Johnny verliebt, von dem sie ein Kind bekommt, der aber inhaftiert wird und so Ursache dafür ist, dass sie erneut flüchten muss – diesmal nach Frankreich, wo sie ihren späteren Ehemann kennen lernt. Fünfzig Jahre später kehrt sie noch einmal in ein ihr fremd gewordenes Tel Aviv zurück.

Grant versteht es tatsächlich meisterhaft, ein Einzelschicksal mit der Geschichte von politischen Wirren zu verknüpfen, die Kleinkariertheit der Engländer begreiflich zu machen, gleichzeitig aber auch – gerade durch weitgehende Aussparung arabischer Schicksale – zu zeigen, wie menschenverachtend in gewisser Weise jene waren, die glaubten einen neuen und glücklichen Staat erschaffen zu müssen. Obendrein finden wir immer wieder bestätigt: Es gibt viele Geschichten zu erzählen. "Mine is not more significant or interesting than anyone else's" bedeutet uns die Erzählerin. Schön, dass wir uns darauf freuen dürfen, dass uns auch Grant noch mehr Geschichten in ihrer klaren, fesselnden Sprache, untermengt mit leichtem Zynismus, erzählen wird. Ein lesenswertes Buch.

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
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