Vernon God Little

Dass Peter Finlay, der sich Dirty But Clean Pierre nennt, den Booker Prize gewonnen hat, kam sicherlich als Überraschung, aber in seinem bewegten Leben hat er ihn sicher nötig.DBC Pierre erzählt die Geschichte des fünfzehnjährigen Vernon Gregory Little, der, zusammen mit ...

Dass Peter Finlay, der sich Dirty But Clean Pierre nennt, den Booker Prize gewonnen hat, kam sicherlich als Überraschung, aber in seinem bewegten Leben hat er ihn sicher nötig.

DBC Pierre erzählt die Geschichte des fünfzehnjährigen Vernon Gregory Little, der, zusammen mit seinem Freund Jesus Navarra, der Selbstmord beging, in einer texanischen Kleinstadtschule, sechzehn Mitschüler/-innen erschossen haben soll.
Vernon glaubt zuerst an einen leicht aufzuklärenden Irrtum, muss sich aber bald ernsthaft die Frage stellen: "What kind of fucken life is this?", denn nicht nur die Medien (vor allem durch den dubiosen Eulalio Ledesma repräsentiert), sondern auch die ganze Gemeinde, ja sogar seine leichtgläubige Mutter, sind allmählich von seiner Schuld überzeugt. Besonders Ledesma, der die Idee hat, Hinrichtungen (wir wissen ja, in Texas fast ein Sport) zu einem Fernseh-Event zu machen, jagt Vernon gnadenlos. Er ist es auch, der die neunzehnjährige Taylor Figueroa überredet, Vernon nach Mexiko zu folgen und ihm dort ein Geständnis zu entlocken. Dass Vernon überhaupt nach Mexiko kommt, ist ein kleines Wunder, denn der Psychiater (der einen Pornoring betreibt) will ihn partout nicht ziehen lassen – und Geld hat Vernon auch keines; das beschafft er sich erst durch Erpressung eines pädophilen Lehrers (leider ist Ledesma auch da hinter ihm her).
Vernon wird also geschnappt und er landet, nach einem herrlich beschriebenen Gerichtsverfahren, zuerst in der Todeszelle und dann in der Hinrichtungszelle. Und auch dort hat Pierre noch eine kleine Überraschung für uns bereit….
Meines Erachtens dauert es ein bisschen, bis der Roman auf Touren kommt; zum einen ist die Erzählweise einigermaßen fahrig, zum anderen ist die Sprache ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Wenn man sich jedoch einmal eingelebt hat, dann wird man mit einer bitteren, aber stets unterhaltsamen Satire auf die manipulative Kraft der Medien, die bösartige Feigheit der Menschen, die einen "skate goat" (sic!) brauchen, und die Unschuld der Niedertracht belohnt. Gleichzeitig versteht es Pierre, zahlreiche sprachliche Register, vom Gerichtsjargon zur Jugendsprache (Taylors ewiges "like"), zur authentischen Stimme eines (hormon)verwirrten Jugendlichen, zu ziehen, und zwischendurch beschert er uns auch ein paar lyrische Intermezzi.
Das alles mag, muss aber nicht für den Booker reichen. ("Shooting Elvis" von Eversz; vgl. Newsletter Mai 1998, habe ich zum Beispiel in ebenso guter Erinnerung.) Aber so wurde eben entschieden (und gleichzeitig beklagt, dass nichts Ordentliches eingereicht werde), und "we are not the worse for it", wie es so schön heißt.
Im Übrigen vermute ich, dass Jugendliche, sofern sie bereit sind sich einzulesen, den Roman ziemlich cool finden und ihn als literarisches Gegenstück zu "Natural Born Killers" oder "15 Minutes" schätzen werden.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/vernon-god-little.html
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