True History of the Kelly Gang

Zu den bleibenden Kinoerinnerungen zähle ich Mick Jagger als Ned Kelly, besonders jene Szene, als er mit dem selbst gefertigten Helm, wild um sich schießend, auf seine Gegner zusteuert. Nun, da Carey mit seinem Buch den Booker Prize 2001 gewonnen hat, war die Gelegenheit gegeben, diese Erinnerun ...

Zu den bleibenden Kinoerinnerungen zähle ich Mick Jagger als Ned Kelly, besonders jene Szene, als er mit dem selbst gefertigten Helm, wild um sich schießend, auf seine Gegner zusteuert. Nun, da Carey mit seinem Buch den Booker Prize 2001 gewonnen hat, war die Gelegenheit gegeben, diese Erinnerungen wieder aufzufrischen.

Carey lässt Ned Kelly seine Geschichte selbst erzählen. 13 Pakete an 'Schriften' wurden gefunden, in denen Ned sein Leben zwischen 12 und 26 beschreibt, seine enge Bindung an seine Mutter, seine unfreiwilligen Lehrjahre beim Banditen Harry Power, seine Versuche, ehrlich zu sein, die Ausweglosigkeit seiner Existenz – und seine große Liebe. Seine Briefe und Erklärungen sind an seine Tochter gerichtet, die er nie gesehen hat, und dabei fällt auf, dass Neds Ton immer wieder rechtfertigend und eben erklärend ist. Fast klingt das wie eine "Die böse Umwelt"-Suada des 20. Jahrhunderts, aber die seltsame Courtoiserie, die zwischen den Zeilen schwebt, die Liebe fürs Detail, der breite Raum, der oft banalen Dingen gewidmet wird, die gewisse Gemächlichkeit und Behaglichkeit des Erzählens rücken Careys Buch eher in die Geständnisliteratur des 18. Jahrhunderts; Moll Flanders ist näher als jeder Held des 20. Jahrhunderts. Der kleine Dieb Ned wird allmählich zur Ikone, er verkörpert jene Freiheit, die den Einwanderern von den Mächtigen, aber auch den Bieder-Ordentlichen genommen wurde, noch ehe sie so recht davon Gebrauch machen konnten. Und wer von der Autorität verfolgt wird, ist oft genug Sympathieträger, vor allem wenn sich seine Gewalt vorwiegend gegen Autoritäten richtet.

Carey hat aber mit seinem Roman nicht nur The True History... (vgl. 18. Jhd.) geschrieben, sondern er hat vor allem Ned eine unverwechselbare Stimme gegeben; dafür hat er letztendlich auch den Booker Prize verdient, denn sein Roman ist weniger ein 'Geschichts'werk, das australische Legendenbildung zum Inhalt hat, als ein Sprachkunstwerk. Wer anfänglich vom Unfang des Romans abgeschreckt sein mag, der wird bald entdecken, dass eben diese Erzählstimme eine Faszination ausübt, die das Buch sogar noch weiter getragen hätte. Weil wir also mit diesem Roman einen überaus interessanten und eigenständigen Erzähler seiner selbst kennen lernen, weil dieser mit vielen wundersamen Details und mit echtem Gefühl seine Erzählung unterstützt, weil eine einzigartige Stimme zu uns spricht, sollten wir uns die Zeit für dieses Buch nehmen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/true-history-of-the-kelly-gang.html
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