Wir beginnen und enden 2015, aber das ist nur ein kleiner Rahmen; die eigentlichen Vorgänge spielen in Belfast 1975, und wir wissen, was das heißt: the troubles, mit Ausgrenzungen, Anschlägen, Angst.

Cushla, knapp 25, unterrichtet Volksschulkinder; sie ist katholisch, hat eine Mutter, die gerne trinkt (wie offensichtlich die meisten in Belfast), und einen Bruder, der ein Pub betreibt. Dort hilft Cushla bisweilen aus, lässt blöde Anzüglichkeiten britischer Soldaten über sich ergehen, ist aber durchaus selbstbewusst. Dort lernt sie auch Michael Agnew kennen, der doppelt so alt ist; Michael ist Anwalt und hilft, als liberaler Protestant, Katholiken, die mit falschen Anschuldigungen kämpfen. Er ist (natürlich) verheiratet, aber es kommt, wie es kommen muss. Cushla verliebt sich in ihn, und es beginnt eine Affäre, die den Großteil des Buches ausmacht. Nebenbei unterstützt sie einen ihren kleinen Schüler, dessen Familie auch Opfer der Unruhen geworden ist.

Die Beziehung muss natürlich geheim gehalten werden, nicht so sehr aus moralischen als aus politisch-religiösen Gründen. Vor dieser Folie beschert uns Kennedy eine unaufgeregt erzählte, durchaus schwierige Liebesgeschichte. Es lässt sich aber erahnen, dass diese Geschichte nicht frei bleiben wird vom Belfaster Alltag, den man fast fatalistisch über sich ergehen lässt; denn dort zählt nicht, was man tut, sondern wer man ist (auf der falschen Seite).

Das Buch entwickelt eine eigene Faszination, weil es in vielem so alltäglich ist, auch wenn hinter dem Alltag die Bedrohung lauert. Ein Anschlag wird fast nebenbei vermerkt, das Einsammeln leerer Biergläser präsentiert sich als bedeutsamer Vorgang. In diesem Spannungsfeld entsteht ein lesenswerter Roman.

pp. 309