""We WASPs measure time by the expiration dates of milk cartons. You saw the whole wide long horrible picture." Zu dieser Erkenntnis kommt Allsion Pennybaker am Ende des Buches, das zwei Erzählstränge vereint. Zum einen ist da das Tagebuch Allisons (28), die sich auf ihre Hochzeit mit Solomon Beneviste vorbereitet; es ist voll von Americana, von Festvorbereitungen, Katalogen, Kleidern und Kinkerlitzchen. Es enthält aber auch ein genaues Sittenbild von Allisons Lebensumständen in einer typischen Kleinstadt.
Zum andern sind da die Aufzeichnungen von Sollys Mutter, Miriam Beneviste, einer schönen und intellektuellen Frau, die als Hochzeitsgeschenk einen Familienstammbaum vorbereitet und dabei auf eine Geschichte jahrhundertelanger Unterdrückung der Juden stößt, insonderheit die Grausamkeiten der spanischen und portugiesischen Inquisition. Zunehmend schafft sie es nicht, mit der episcopalischen Selbstherrlichkeit von Allisons Mutter, Louise Pennybaker ("a certified chalice bearer"), fertigzuwerden. Wo endet für die Juden das marrano-Dasein, das Dasein als Schwein, das vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertieren muss? Dass die Katastrophe unvermeidlich erscheint, ahnen wir bereits zu Beginn, denn Protokolle einer gerichtlichen Untersuchung sind zwischen den Tagebüchern eingestreut.
Wie schon in "The Roaches Have No King" entpuppt sich Weiss als meisterhafter Erzähler mit einem klaren Gespür für Satire. In kurzen Abschnitten entsteht nicht nur eine Alltagssatire, sondern Weiss vermittelt auch ein lebendiges Bild "christlicher" Grausamkeit. Für Solly ist das alles Geschichte und weitgehend uninteressant; dennoch bleibt offen und für den Leser/die Leserin zu beantworten, wie leicht man sich aus historischer Verantwortung hinwegstehlen kann.
Wer auf der Suche nach aufregender Gegenwartsliteratur aus Amerika ist, der ist mit den Büchern von Weiss sehr gut beraten. Ich hoffe, noch viel mehr von ihm lesen zu können.
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