The Story of Lucy Gault

Die Geschichte der Lucy Gault beginnt 1921 im County Cork, und sie entwickelt sich über 70 Jahre hinweg zu einem kleinen Mythos, auch wenn sie zuerst nur ein Vorfall war, "a calamity [that] shaped a life."Lucy und ihre Eltern bewohnen Lahardane, einen abgelegenen Landsitz; dort sc ...

Die Geschichte der Lucy Gault beginnt 1921 im County Cork, und sie entwickelt sich über 70 Jahre hinweg zu einem kleinen Mythos, auch wenn sie zuerst nur ein Vorfall war, "a calamity [that] shaped a life."
Lucy und ihre Eltern bewohnen Lahardane, einen abgelegenen Landsitz; dort schießt Captain Everard Gault am 21. Juni auf Eindringlinge und verwundet einen Jungen an der Schulter. Everard kennt die Eltern, schickt einen entschuldigenden Brief, erhält aber nie eine rechte Antwort. Der kleine Vorfall spiegelt größere politisch-religiöse Unruhen. Die Potestantenfamilie Gault soll, so wie viele ihrer Gesinnungsgemeinschaft, vertrieben werden, protestantische Landbesitzer sind in dem Konflikt zwischen der IRA und der britischen Armee unerwünscht. Die Gaults beschließen, Irland zu verlassen und das Haus unter der Obhut zweier Bediensteter zurückzulassen. Die neunjährige Lucy will aber keineswegs fort und versteckt sich; durch eine tragische Verkettung von Zufällen wird angenommen, dass sie ertrunken ist. Die Gaults machen sich nunmehr auf eine unstete Wanderschaft durch Europa und landen schließlich in einem kleinen italienischen Ort, wo sie einander liebe- und rücksichtsvoll ihren Schmerz lindern helfen.
Inzwischen ist Lucy von Henry und Bridget gefunden worden, mit Hilfe des ortsansässigen Anwalts versucht man die Gaults zu erreichen – vergeblich. Lucy wächst in einer Art Dornröschendasein heran, sie trägt Mutters weiße Kleider und liest einen Roman um den anderen. Da taucht Ralph zufällig in ihrem Leben auf; er liebt sie, doch sie verweigert die Heirat, da sie zu viel Schuld mit sich herumträgt und sich erst mit den Eltern vereint wissen will, bevor sie ein eigenes Leben beginnt. Everard kehrt aber erst nach Jahrzehnten zurück, nachdem seine Frau Heloise in Italien gestorben ist. Das lange Schweigen zwischen Vater und Tochter wird auch jetzt nur langsam gebrochen, er ist auch zu spät zurückgekehrt, um Lucy ein privates Glück zu ermöglichen, denn Ralph hat in der Zwischenzeit geheiratet. Dafür treffen Vater und Tochter auf Horahan, den Jungen, der damals verwundet wurde. Der hat in seinen wirren Phantasien Lucy stets begleitet, nimmt er doch an, dass damals ein kleines Mädchen ums Leben gekommen ist. Gegen Ende besucht ihn Lucy fast täglich im Sanatorium, in dem Horahan schließlich unterkommt. Beide sind letztendlich politische Opfer, in ihren eigenen Zeit-Löchern gefangen; Horahan, weil er nicht an der Zeit gemessen werden kann, Lucy, weil sie ihrem Dornröschendasein nie entkommt und eigentlich damals hätte umkommen müssen, wie sie selbst meint.
Trevors Buch ist natürlich das Werk eines meisterlichen Schriftstellers, und genauso wie bei "Old Boys", das ich vor vielen Jahren gelesen habe, gilt: Es lässt einen trotz seiner Unwahrscheinlichkeiten nicht mehr los. Wenn Lucy am Ende des Buches Leute sieht, die Telefone an ihr Ohr halten, so findet sich meine erste Reaktion auf die ersten Kapitel indirekt bestätigt: Im Zeitalter des Mobiltelefons gäbe es diese Geschichte nicht, und aus ihr hätte auch nicht der kleine Mythos werden können. Aber schon der Titel hat diesen altertümelnden Beigeschmack, und Trevor führt uns ein Irland vor, das eher in einer literarischen als in einer politischen Tradition steht, einer Tradition, wo alte Fischer traurige Lieder singen und verwitterte Grabsteine von noch traurigeren Schicksalen erzählen. Und nie hätte ich nach dem ersten Drittel geglaubt, dass mich das Buch dermaßen fesseln würde, dass mich die immer größeren Zeitspannen, die wir hinter uns ließen, überhaupt nicht stören würden. Durch die Raffung wird aus der Geschichte tatsächlich ein Mythos – wie man ihn sich halt im County Cork erzählt, wie er es aber auch verdient, weiter und weiter erzählt zu werden. So lässt sich also beruhigt sagen, dass das Booker-Komitee diesmal nicht daneben gegriffen hat, als es Trevor auf die Shortlist setzte.

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Sprache
Deutsch
Anbieter
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Veröffentlicht am
01.07.2001
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