The Marriage Portrait

Autor O’FARRELL, Maggie

Verlag New York: Alfred A. Knopf 2022

Wie weitermachen nach dem Sensationserfolg von „Hamnet“? (s. Archiv). Einfach ist das nicht, aber O’Farrell entscheidet sich wieder dafür, eine weitere Person dem Vergessen zu entreißen, ihr eine eigene Stimme zu geben.

In diesem Fall ist es Lucrezia de Medici, die in Florenz heranwächst, mit 13 Alfonso, dem Herzog von Ferrara, versprochen wird, ihn mit 15 heiratet und ein Jahr später (1561), angeblich an ‚putrid fever‘ stirbt. Wir kennen sie aus Brownings „The Last Duchess“, wo sich Alfonso 1564 ihrer erinnert. Der Titel bezieht sich auf das Porträt von Il Bastianino, der die junge Frau durchaus enigmatisch erscheinen lässt.

Lucrezia ist ein schwieriges Kind; neugierig und in sich gekehrt zugleich, von den Geschwistern und den Eltern wenig wahrgenommen, von der Dienerin Sofia aber geliebt, fühlt sie sich im Untergeschoß der Burg in Florenz am wohlsten, wiewohl ihre Stellung es nicht zulässt, dass sie dort heimisch wird. Ein Schlüsselerlebnis ist, dass sie mit sieben ihren Vater und ihre Geschwister in die unterirdische Menagerie begleiten darf, wo eine Tigerin gefangen gehalten wird; Lucrezia bleibt zurück und es gelingt ihr, das Tier, das verwundert über seine Gefangenschaft zu sein scheint, zu berühren. Es ist dies übrigens eine besonders schöne Stelle im Roman und in ihr spiegelt sich später auch immer wieder Lucrezias Schicksal wider. Eingesperrt, von Männern (v.a. Alfonso) zum Schweigen gebracht, mit Ansprüchen (Erbfolge sichern) konfrontiert, selten verstanden.

Ein anderes Schlüsselerlebnis ist die Technik des ‚underpaintings‘, das Malen in mehreren Schichten, das die talentierte Lucrezia erlernt. So kann sie Erlebnisse verborgen halten, für sich zumindest mehrere Schichten Wahrheit verwirklichen. Da sie dieses künstlerische Talent besitzt, wundert es auch nicht, dass sie aufmerksam die Welt, sofern sie ihr zugänglich ist, betrachtet und ein scharfes Auge für Details hat. Wo Alfonso geradeaus starrt und Macht verströmt, sieht sie die kleinen Abläufe um sich herum (vgl. Browning: „and her looks went everywhere“.) Folgerichtig merkt und spürt sie auch, dass ihr Alfonso nach dem Leben trachtet, als er sie zu einem Landausflug einlädt.

Lucrezia kann ihre Stimme nur selten erheben, oft beginnt sie Sätze, reagiert mit wenigen, auch unzusammenhängenden, Worten, nicht zuletzt, weil sie ein Gespür für Zwischentöne hat. Diese Stimme, die sie offenbar nicht erheben konnte, gibt ihr O’Farrell zurück. Sie erschafft damit eine Protagonistin, mit der man, ungeachtet der historischen Tatsachen, mitzittert. So viel sei verraten: Man darf hoffen, dass sich die Literatur etwas einfallen lässt, um uns einigermaßen versöhnt zu entlassen.

pp. 339

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Sprache
Deutsch
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Veröffentlicht am
02.01.2023
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