The Horned Man

Am besten nähert man sich dem Buch über das Schlusszitat aus dem Neuen Testament: "If you bring forth what is within you, what you bring forth will save you. If you do not bring forth what is within you, what you do not bring forth will destroy you." Inwieweit sich der Protag ...

Am besten nähert man sich dem Buch über das Schlusszitat aus dem Neuen Testament: "If you bring forth what is within you, what you bring forth will save you. If you do not bring forth what is within you, what you do not bring forth will destroy you."
Inwieweit sich der Protagonist des Romans dieser Sentenz stellen kann, bleibt letztendlich offen, denn wir haben es mit einem unglaublich neurotischen, absolut unzuverlässigen, die Welt nur aus seiner Perspektive wahrnehmenden Erzähler zu tun. Lawrence Miller lebt in New York und ist Lecturer für Gender Studies; er ist ein politisch korrekt denkender Mensch, der dem universitären Komitee, das sexuelle Belästigungen untersucht, angehört, und er bildet sich ein, rational zu denken und zu handeln. Allerdings gibt es immer mehr Dinge, die ihn aus der Bahn werfen. Am Beginn steht, dass er die Stelle in einem Buch, in dem er liest, ohne sein Zutun (?) verliert. Am Ende steht, dass seine Existenz brüchig geworden ist. Wir wissen nie genau, wie viel Wahrheit in Millers Wahrheit steckt, aber auch seine Umwelt und er selbst kennen offensichtlich nicht nur eine Wahrheit. Da ist die Kollegin Elaine, die zu Lawrences Erstaunen eine innige Beziehung signalisiert, obwohl doch Lawrence ganz schrecklich unter der Trennung von seiner Frau leidet. Existiert gegen ihn eine Verschwörung, muss er sich fragen. Ist er das Opfer einer Intrige seines Landsmannes Bruno, der nicht zögert, mit seinen Studentinnen zu schlafen (die dann auch noch dafür demonstrieren, dass ihre Entscheidungen respektiert werden sollen). Ist es der seltsame Bulgare Bogomil Trumilcik, der offensichtlich unter Lawrences Schreibtisch wohnt und dessen Kafka-Adaption in einem Theater aufgeführt wird, das ausgerechnet Bruno und seine Studentinnen besuchen? Lawrence stellt plötzlich fest, dass er der Angelpunkt vieler geheimer Beziehungen und Begegnungen ist. Seine Therapeutin spielt da ebenso eine Rolle wie ein Frauenhaus, in das er nur gelangen kann, wenn er sich verkleidet. Und warum häufen sich Unfälle und Todesfälle? Wie kommt er plötzlich zur Eisenstange, mit der Trumilcik möglicherweise Verbrechen verübt hat?
Lasdun schafft es ausgezeichnet, eine kafkaeske Welt entstehen zu lassen, in der der Erzähler aber durchaus selbstgerecht einen rationalen und einleuchtenden Verlauf der Dinge entwirft. Wo befindet sich in Lawrences Kopf die Grenze zwischen Realität und Phantasie, Beobachtungsgabe und Verfolgungswahn? Wir folgen ihm kopfschüttelnd, aber nicht ungläubig. Und gleichzeitig folgen wir Lasduns Spott und Ironie, wenn er uns durch Lawrences Augen die Sitzungen des Komitees mitverfolgen lässt. So pendelt "The Horned Man" zwischen psychologischer Studie mit reißerischen Elementen und satirischer Darstellung einer amerikanischen Universitätswelt, zwischen spannender Erzählung und komplexem Geflecht von Verweisen und Andeutungen. Lesenswert ist das schmale Buch aber auf jeden Fall!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/the-horned-man.html
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