The Death of Vishnu

Vishnu stirbt.
Vishnu ist ein unbedeutender Aushilfsarbeiter, der in Mumbai auf einem Treppenabsatz eines dreistöckigen Hauses lebt, wo er mehr schlecht als recht von Mrs Pathak und Mrs Asrani umsorgt wird, die ihn mit kleinen Botengängen, dünnem Tee und alten Fladenbroten am Leben halten. In ...

Vishnu stirbt.

Vishnu ist ein unbedeutender Aushilfsarbeiter, der in Mumbai auf einem Treppenabsatz eines dreistöckigen Hauses lebt, wo er mehr schlecht als recht von Mrs Pathak und Mrs Asrani umsorgt wird, die ihn mit kleinen Botengängen, dünnem Tee und alten Fladenbroten am Leben halten. In Wirklichkeit haben die Pathaks und Asranis andere Sorgen, denn eine gemeinsame Küche ist ewiger Angelpunkt von bitterbösen Auseinandersetzungen; nun kommt noch die Belastung durch Vishnu, dessen Abtransport (tot oder lebendig) bezahlt werden muss. Gleichzeitig versucht Salim, der Sohn der Jalals, mit der Tochter der Asranis durchzubrennen - und das in filmreifer Manier. Indessen ist Mr Jalal dabei, sein spirituelles Heil zu finden (fasten, am Boden schlafen etc.), sehr zum Missvergnügen seiner korangläubigen Frau, die darin eher Verspottung religiöser Werte als Gläubigkeit sieht.

Wenig hört man vorerst von Vinod Taneja, der im dritten Stock wohnt und seit unzähligen Jahren seiner verstorbenen Frau nachtrauert. Dafür erfahren wir von ihm (und auch von Vishnu) umso mehr in Rückblenden. Vor allem Vishnus Schicksal beschäftigt uns, seine Kindheit, seine unstillbare Liebe zur Prostituierten Padmini, die in einer Verschmelzung von Sehnsucht, Verlassenheit und Film gipfelt.

Vishnus langer Tod wird durch den Alltag, verkleinlicht und überhöht, konterkariert. Die Ängste, Befürchtungen, Hoffnungen der so genannten kleinen Leute, die fast absurde Entführungsgeschichte in bester Bollywoodmanier, die zahlreichen Rituale und ungeschriebenen Gesetze einer uns relativ fremden Kultur, die Universalitäten von Gemeinheit und Zuneigung ergeben einen großartigen, mit viel Liebe und Präzision geschriebenen Roman. Letzteres mag vielleicht daher rühren, dass Suri ein Mathematikprofessor ist, der an der University of Maryland unterrichtet; aber selbst wenn das nur eine Pauschalisierung ist, so gilt doch, dass Suri mit viel Sinn fürs Detail, mit viel Sinn für Farben und Gerüche, mit viel Sinn für menschliche Schwächen und Stärken erzählt. Dabei verfällt er erfreulicherweise weder ins mystische Geraune indischer Romane noch in die mythische Überhöhung des Alltags, wie sie Rushdie z.T. zu virtuos praktiziert. Suri ist ganz einfach ein Erzähltalent, der uns mit ein paar Menschen in einem relativ begrenzten Raum so sehr vertraut macht, dass wir nur schweren Herzens Abschied nehmen.

Sehr empfehlenswert!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/the-death-of-vishnu.html
Kostenpflichtig
nein