„Candy House” gilt als ‘sibling novel‘ zu „A Visit from the Goon Squad“, und die beiden Bücher sind auch lose verknüpft. Ich verzichte darauf, die jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisse oder Wiederauftritte aufzuzählen, aber nenne als Beispiel BixBouton, ein unbedeutender Charakter in der Goon Squad, der hier als Technologie-Wunderkind auftritt und der später ein Produkt erfindet, das „Own Your Unconscious“ genannt wird. Damit kann man nicht nur all seine Erinnerungen hochladen, sondern auch am kollektiven Unbewussten teilhaben. Später wird der Sohn von Bix versuchen, als Schriftsteller Lücken in diesem System zu finden. Auch Miranda, deren Forschungen in Brasilien wir die Idee für das Boultonsche System zu verdanken haben, hatte bereits früher einen Auftritt. Und die Kleptomanin Sasha taucht hier als Künstlerin auf.

Schließlich und endlich gibt es die ‚eluders‘, die nichts von der Bixschen Erfindung wissen wollen. Kurzum: Egan verschafft uns wieder ein kleines Charakter-Universum mit Figuren, die auf lose und dennoch komplexe Art miteinander verbunden sind, diesmal allerdings in einer Welt, die weniger unterhaltsam und locker ist als in der Goon Squad. Aber wen wundert’s, wenn diese Welt bis 2039 reicht und damit ein gerüttelt Maß an SF bietet? Aber immerhin: Alle Figuren versuchen ihr Bestes, und niemand ist wirklich ganz gut oder ganz böse.

Was an „A Visit from the Goon Squad“ so bestechend war, der Mix an Erzählformen, geht hier nicht ganz auf, nicht zuletzt, weil das Überraschungsmoment von damals fehlt. Es gibt weniger Virtuosität, eine Twitterature-Passage ist eben auch nicht mehr ganz neu, vieles, was damals noch das Etikett ‚experimental novel‘ verdiente, gehört heute schon zum literarischen Alltag.

Desungeachtet lässt sich sagen: Auch wenn Sie den ‚sibling‘ nicht kennen, ist das ein höchst vergnüglich zu lesendes Buch. Und wenn Sie Zeit haben, lesen Sie zuerst die Goon Squad, bevor Sie sich ins Candy House begeben.

pp. 334