Was für ein seltsames Buch! Und gleichzeitig - wie lesenswert, nicht so sehr wegen des unerhörten Vorfalls als wegen der vielen eingestreuten Vorkommnisse.
Laurie King hat das Thema Sekten/Religion bereits in ihrer Martinelli-Serie ("To Play the Fool") aufgenommen, und auch der vorliegende Roman basiert auf dem Thema Religion/Sekte/Kult, wobei das Wort Kult für die Protagonistin, die Religionswissenschaftlerin Anne Waverly, zu den Unworten gehört. Anne, 48, hat vor vielen Jahren Mann und Tochter bei einem Sekten-Selbstmord verloren und hilft seither dem FBI, nicht zuletzt, um sich vor sich selbst reinzuwaschen, dabei, Sekten zu infiltrieren, die eine potentielle Gefahr darstellen könnten (vgl. Waco etc.).
Diesmal stiehlt sie sich in die Change-Sekte, geleitet von einem Steven Change in Arizona. Dort lernt sie ein Mädchen kennen, das frappant ihrer verstorbenen Tochter ähnlich sieht; das Mädchen und ihr Bruder faszinieren Anne, die als Ana Wakefield in die Kommune aufgenommen wird, und als die Kinder nach England, in ein anderes Camp der Sekte, transferiert werden, kommt Ana mit. Dort überstürzen sich die Ereignisse bis zum furiosen Finale.
Viel vom Sektenleben ist äußerst kraus, und als Ana entdeckt, dass alchimistische Gedankengänge eine wesentliche Rolle spielen, wirkt die Geschichte für uns Leser/-innen durchaus wirr und an den Haaren herbeigezogen. Anderseits, wenn Sie bedenken, dass es Sekten gibt, die an ein Leben auf von Rieseneichhörnchen bevölkerten Planten glauben, dann wirken die Vorkommnisse in diesem Roman vielleicht nicht so sonderbar.
Was auf jeden Fall faszinierend ist, ist der religionswissenschaftliche Hintergrund einerseits, die doppelte Persönlichkeit der Protagonistin andererseits. Wo Anne Waverly die messerscharfe Analytikerin ist, da taucht Ana Wakefield in den Geist und die Lebensart der Kommune glaubhaft ein - analog zum Doppelspiel des Detektivs, der auch einen kriminellen Verstand haben muss, um wirklich gut zu sein. Dieses Doppelspiel wird von King meisterlich gehandhabt, und der Roman ist - ebenso wie das hier rezensierte Buch von Reichs - eine ideale literarische Annäherung an das Thema Sekte. Wenn Sie also rechtzeitig zum Millenniumstaumel ein Spezialgebiet mit Literatur anreichern möchten, hier lässt sich dies auf interessante und durchaus lesenswerte Art bewerkstelligen.