The Best of Young British Novelists 3 (=Granta 81)

Alle zehn Jahre wieder! 1983 erschien die erste Granta-Liste und fast alle, von Martin Amis bis A. N. Wilson, sind household names geworden, Rushdie wahrscheinlich weltweit. Auch die 1993-Liste, von Banks bis Winterson, enthält Namen, die nach wie vor weithin bekannt sind: De Bernières, Ishiguro ...

Alle zehn Jahre wieder! 1983 erschien die erste Granta-Liste und fast alle, von Martin Amis bis A. N. Wilson, sind household names geworden, Rushdie wahrscheinlich weltweit. Auch die 1993-Liste, von Banks bis Winterson, enthält Namen, die nach wie vor weithin bekannt sind: De Bernières, Ishiguro, Kureishi. Die heurige Liste muss sich laut Herausgeber Jack erst beweisen, aber viele der Namen sind bereits publiziert/bekannt und A. L. Kennedy findet sich sogar zum zweiten Mal bei den Best Young Novelists. Wirkliche Überraschungen finden also nicht statt, obwohl Ali und Thirlwell zum Zeitpunkt des Erscheinens noch unveröffentlicht waren. Mittlerweile ist Alis Roman erschienen und ich freue mich schon auf die Lektüre, denn ihre Kurzgeschichte über eine Frau, die sich ihren Zukünftigen schönredet ("Dinner with Dr Azad"), ist ein Höhepunkt der Sammlung.
Die Juroren (weniger Oxbridge als sonst) haben also ihre Wahl getroffen (60% Oxbridge-Schriftsteller/-innen), und wenn man Hilary Mantel glauben darf, dann war die Konkurrenz so schwach wie noch nie. Seltsamerweise betont Jack in seinem Vorwort, dass es schwer ist an amerikanische Vorbilder heranzureichen, ohne sich zu fragen: Wer will denn das überhaupt? Viele der 12 Autoren und 8 Autorinnen stehen auf eigenen Beinen und haben es nicht Not, als der britische Soundso abqualifiziert zu werden. Dass sie bisweilen etwas blutleer wirken, mag mit der Auswahl zu tun haben (ein Extrakt aus einem Roman ist vielleicht doch nicht immer glücklich gewählt), mag aber auch damit zu tun haben, dass sie in ihren Texten die Flucht in andere Länder oder Zeiten antreten, wenn das Publikum vielleicht pralles Gegenwartsleben erwartet. Im Übrigen sprechen wir ja hier nur von einer bestimmten Generation, die meisten Beiträger/-innen sind in der 60ern geboren (niemand vor 1963, so eine Regel), nur eine Handvoll in der 70ern. Jung heißt also auch, schon ein paar Jährchen auf dem (Schreib)Buckel zu haben – und noch dazu genre-fern zu bleiben. Welshs "The Cutting Room" wurde etwa nicht aufgenommen, weil es angeblich "nur" ein Krimi ist – eine Fehleinschätzung, wie ich meine. (Ich habe das Buch übrigens für den NEWSLETTER deswegen nicht rezensiert, weil ich es nur wenigen zumuten würde.) Es ist also für Leser/-innen vielleicht interessanter zu überlegen, wer in dieser Sammlung nicht vorkommt und was wohl die Beweggründe für die Nichtaufnahme sein mögen. Hier jedenfalls die Liste derer, die vorkommen:
Monica Ali, Nicola Barker, Rachel Cusk, Susan Elderkin, Andrew O'Hagan, Peter Ho Davies, Philip Hensher, A.L. Kennedy, Hari Kunzru, Toby Litt, Robert McLiam Wilson, David Mitchell, Dan Rhodes, Ben Rice, David Peace, Rachel Seiffert, Zadie Smith, Adam Thirlwell, Alan Warner, Sarah Waters.
Manche dieser Namen werden Ihnen durchaus bekannt vorkommen, manche sollten Sie sich auf jeden Fall merken. Wie das so ist bei Sammlungen, lassen manche Geschichten einen seltsam unberührt, andere regen dazu an, mehr lesen zu wollen. Ich selbst etwa habe sofort Ali, O'Hagan und Rice gekauft, weil ich mehr von ihnen lesen möchte. Ich freu mich auf das neue Buch von Warner, den ich sehr schätze und der hier übrigens den witzigsten Beitrag liefert. Tragisch-witzig ist die Geschichte von Rice, durchaus gelungen auch die Beiträge von Kunzru (werde endlich seinen Roman lesen!), bei dem immerhin die Gegenwart (in Form des Computers) vorkommt. Thirlwell liefert ein schnörkelloses Stimmungsbild, O'Hagan ebenfalls. Litt und Cusk zeigen erzählerisches Talent, und Rhodes nimmt einen einfach mit seiner Geschichte gefangen. Am längsten aber spukte mir Seifferts Geschichte im Kopf herum ("Field Study"), die den Alltag mit Zwischentönen versieht, so dass man meinen könnte, das Ungesagte wird immer über das Gesagte triumphieren.
Alles in allem ist der Band natürlich Pflichtlektüre für Literaturinteressierte, aber wer meint, dass er damit a) Neuland beträte oder b) nun endlich wüsste, was britische Gegenwartsliteratur wirklich ausmacht, der wird ein bisschen enttäuscht werden. Dennoch: Als Appetitanreger und Geschmacksanzünder wohlwollend empfohlen, besonders jenen Lehrerinnen und Lehrern, die wissen, dass Literatur nicht mit dem endet, was man an der Uni lesen musste.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
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