The Archivist

Liebe und Betrug durchziehen diesen Roman, für den Cooley sich ausdrücklich T.S. Eliot (und Lyndall Gordons Biographie) verpflichtet fühlt. Liebe, die nicht alle Hindernisse umfährt, Betrug, der viele Hindernisse aufbaut. Matthias Lane ist Archivar an einer nicht genannten Universität, die Eliot ...

Liebe und Betrug durchziehen diesen Roman, für den Cooley sich ausdrücklich T.S. Eliot (und Lyndall Gordons Biographie) verpflichtet fühlt. Liebe, die nicht alle Hindernisse umfährt, Betrug, der viele Hindernisse aufbaut.
Matthias Lane ist Archivar an einer nicht genannten Universität, die Eliots Korrespondenz mit Emily Hale aufbewahrt, die erst im Jahre 2020 geöffnet werden darf. (In Wirklichkeit liegen die Hale-Briefe in Princeton.) Wir merken bald, dass er sie - unprofessionellerweise - gelesen hat; da erscheint eines Tages Roberta Spire, Poetin um die 30, etwa halb so alt wie Matthias. Sie will die Hale-Briefe sehen - ein Ansinnen, das Matt empört zurückweist. Auch ihre Begründung, sie wolle Eliots religiösen Wandel verstehen, überzeugt ihn nicht. Aber allmählich lernt er Robertas Gesellschaft schätzen, und als sie gar als graduate student im Archiv arbeitet, erhält ihre Beziehung eine seltsame Innigkeit. Allmählich erfahren wir auch mehr über die drei wichtigen Charaktere des Buches: Matthias, der an seiner Frau schuldig geworden ist und an seinem Berufsethos; Judith, die jüdische Frau von Matthias, ebenfalls Poetin, die 1965 (just in Eliots Todesjahr) Selbstmord beging, weil sie an dem privaten Betrug (dem Tod ihrer Eltern) und am öffentlichen (der Verschleierung des Holocausts) zerbrach; Roberta, die ihre geschützte Kindheit als Betrug an ihr auffasst. Mit wechselnden Perspektiven (der zweite Teil ist fast ausschließlich Judiths Tagebuch aus der Nervenheilanstalt) und geschickt verschachtelt erzählt Cooley die Geschichte gebildeter, leidender, verstrickter Menschen. Verzahnt wird das Geschehen immer wieder mit Eliot - nicht nur über seine Gedichte, sondern auch über seltsame Parallelen (z. B. lebte Eliots erste Frau jahrelang in einer Nervenheilanstalt), aber auch über den Betrug (Hale hätte die Briefe vernichten sollen).

Keine Frage, das ist ein fesselndes, literarisches Buch, das neugierig macht auf Eliot, aufs Neuentdecken und Wiederlesen; aber als Geschichte bleibt alles doch ein bisschen fern, entführt in eine Welt von religiösen Quälereien und Schuldfragen, eine Welt von Textverweisen, die seltsam kühl und akademisch bleibt; ich bin der Letzte, der bestreitet, dass das einen eigentümlichen Reiz hat; aber es bleibt dennoch festzuhalten, dass das Buch mehr gescheit als packend, mehr ordentlich komponiert als beeindruckend ist. Aber es ist ideal für jene, die bei gepflegter Unterhaltung auch noch weitergebildet werden wollen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
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