The Amazing Adventures of Kavalier & Clay

Ein Epos! Noch dazu ein absolut lesenswertes, das mit dem Pulitzer-Preis belohnt wurde.
Sie kennen Chabon vielleicht als Autor der "Wonder Boys" (mit Michael Douglas verfilmt), aber ansonsten ist er meines Wissens bei uns eher unbekannt, ein Umstand, der sich hoffentlich rasch ändert. Chabon li ...

Ein Epos! Noch dazu ein absolut lesenswertes, das mit dem Pulitzer-Preis belohnt wurde.

Sie kennen Chabon vielleicht als Autor der "Wonder Boys" (mit Michael Douglas verfilmt), aber ansonsten ist er meines Wissens bei uns eher unbekannt, ein Umstand, der sich hoffentlich rasch ändert. Chabon liefert in diesem Roman ein Panoptikum, ein Sittenbild, eine unglaubliche Lebensgeschichte, eine Vielfalt an Erzählsträngen, die andere (lesser authors) zu mehreren Büchern verarbeitet hätten – und das mit einer Eleganz der Sprache, mit einer Leichtigkeit des Erzählens, mit einer Vielfalt an Details, kurzum mit einer Meisterschaft, die es schwer macht, von diesem Buch Abschied zu nehmen.

Joseph Kavalier, etwa 20, kommt aus Prag. Er hat beim großen Entfesselungskünstler Kornblum gelernt, der auch von der jüdischen Gemeinde den Auftrag bekommen hat, den Golem verschwinden zu lassen, bevor die Nazis seiner habhaft werden. Kornblum ist es auch, der Joseph zur Flucht verhilft – und einige Zeit später findet er sich im Zimmer seines Cousins Sam Clayman in New York wieder. Beide entdecken sogleich ihre gemeinsame Liebe zum Zeichnen von Comics, und alsbald arbeiten sie als regelmäßige Zeichner einer Serie, die The Escapist heißt und eine Art Super-Houdini zum Helden hat, der das Böse, besonders jedoch die Nazis, bekämpft. Kavalier und Clay werden von den Verlegern weidlich ausgenutzt, aber dennoch schaffen sie es, zu den Größen des Golden Age der Comics aufzurücken, die den späteren Marvel-Leuten als hehres Vorbild dienen. Joseph aber hat mit seiner Kunst mehr im Sinn als reich und berühmt zu werden. Die Comic-Serien dienen als Substitut für alle möglichen Versuche seine Familie vor den Nazis zu retten; besonders seinem jüngeren Bruder möchte er die sofortige Flucht ermöglichen. Seine Bemühungen werden von der schönen Rosa Saks unterstützt, mit der er lange Zeit zusammenlebt. Sam hingegen versucht sich zaghaft seiner Homosexualität bewusst zu werden; gleichzeitig versucht er auch, Joseph von den Folgen seines Deutschenhasses zu bewahren. Als Josephs Rettungsversuche scheitern, "flüchtet" (the escapist) er in den Krieg und lässt Sam und Rosa in einem privaten Schlammassel zurück. Er wird am Nordpol stationiert, wo alle Mitglieder seiner Einheit (bis auf einen Offizier) einem Unfall zum Opfer fallen. Monatelang halten die beiden, dem Wahnsinn nahe, die Stellung. Auch nach seiner Rückkehr bleibt Joseph für seine Freunde verschwunden, er nähert sich nur seinem Sohn (der offiziell der Sohn Sams ist). Es scheint, als könnte er sich am Schluss mit dem Prinzip anfreunden, das Kornblum als das eigentliche Problem des Entfesselungskünstlers gesehen hat: nicht, wovon man verschwindet, ist entscheidend, sondern wohin man verschwindet. Damit ist auch das Prinzip Hoffnung, das durch das Erschaffen eines Golems verkörpert wird, wieder lebendig geworden. Josephs Golem ist der Escapist, mit dem er auch gleichzeitig ein edles Sentiment verkörpern will: "truly to escape, if only for one instant; to poke his head through the borders of this world, with its harsh physics, into the mysterious spirit world that lay beyond." (582)

Als die Comics in der Nachkriegszeit (50-er Jahre) in Verruf geraten, haben die Leute die großartige eskapistische Funktion vergessen, nicht so sehr, weil sie keine eucastrophies (Tolkien) mehr brauchen, sondern weil sich neue abzeichnen (das Fernsehen etwa); Clay will dort sein Glück versuchen, Joseph hingegen bleibt gerne das Relikt einer Goldenen Zeit.

Chabon hat nicht nur ein philosophisches, ein bewegendes, ein spannendes, ein mitreißendes Buch geschrieben, er hat auch dem Golden Age of Comics ein großartiges Denkmal gesetzt; er hat Houdini ein Denkmal gesetzt; er hat dem Streben der Menschen den Alltag hinter sich zu lassen ("over the hills and far away") ein Denkmal gesetzt; und er hat dies als großen Wurf konzipiert und ausgeführt (man vergleiche etwa den Titel, der schon an eine fein säuberlich geheftete Sammlung von Abenteuern und Episoden denken lässt). Nehmen Sie sich die Zeit für all diese Geschenke – flüchten Sie mit dem Buch ein paar Tage - und vergessen Sie dabei das Wovon und das Wohin nicht.

 

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
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