Shuggie Bain

Autor STUART, Douglas

Verlag London: Picador 2020

In den 80er-Jahren waren wir immer wieder in Glasgow, das uns schon allein deswegen gefiel, weil es nicht so touristisch und ‚slick‘ war wie Edinburgh.

Klar, wir hatten von den Gorbals gehört und der ein oder anderen ‚No-go-area‘, aber insgesamt war ‚unser‘ Glasgow das von Charles Rennie Mackintosh, der Garden Show, Bergmans Inszenierung von „Nora“, von „Snoopy - The Musical“ und von „Glasgow’s Miles Better“ (than what soll jemand in diesem Roman sagen).

Hier aber landen wir in einem Glasgow der 80er, das fast ausschließlich ‚gritty and grimy‘ ist. Das war den Jurorinnen und Juroren wohl auch den Booker 2020 wert, auch wenn manche behaupten, es sei schon wieder eine Variation von „Trainspotting“.

Wir beginnen 1992 bei Shuggie (16), der im dreckigen Bedsit wohnt und einen Prekariatsjob hat; aber wir verweilen da nicht lange (am Schluss kehren wir nochmals zurück), sondern finden uns im Jahr 1981 wieder.

Da treffen wir auf einen Shuggie ‚as a wean‘, der mit seinem Vater Big Shug Bain, seiner Mutter Agnes und den Geschwistern Leek und Catherine (“all crammed together in her mammy’s flat”) lebt. Agnes, eine schöne Frau, ist Alkoholikerin, Big Shug ist hinter jedem Rock her und verlässt sie schließlich für eine andere Frau (mit zahlreichen Kindern). Vorher ziehen sie noch in die Kohlminengegend (Pitheads), was den eigentlichen Abstieg rasch befördert. Dort gibt es genug Arbeitslose (Thatcher und ihr Kampf gegen Kohleminen), gleichgesinnte Alkoholikerinnen und tapfere AA-Streiter/innen. Das Leben ist dominiert von Armut, Sucht und Missbrauch. Shuggie „is no‘ right“, er interessiert sich offensichtlich nicht für Mädchen und wird zum handfesten Spott-Objekt der anderen Kinder, die dem ‚wee poofter‘ das Leben zusätzlich schwer machen. Dauernde Geldsorgen, widerliche Taxifahrer und viel Alkohol bestimmen den Alltag. Als einer sich für Agnes interessiert, während sie gerade eine Trockenperiode versucht, hält auch das nicht.

Im Grunde verfolgen wir den langen Abstieg von Agnes in den totalen Alkoholismus und den verzweifelten Versuch Shuggies, sie davor zu bewahren. Catherine hat jung geheiratet und ist nach Südafrika ausgewandert, Leek, künstlerisch begabt, frettet sich allein durchs Leben. Nur Shuggie macht alle Erniedrigungen mit.

Der Roman bietet grimmige Lektüre, ist aber diese Lektüre wert, zumal wir wissen: Das ist nicht nur das Glasgow der 80er mit all seinen Besäufnissen und Männlichkeitsritualen. Wenn wir uns ein bisschen umsehen, finden wir das auch heute in zahlreichen Gemeinden. Stuart hat das umfangreich und doch kompakt, mit einem gehörigen Anteil an Autofiction, dargestellt.

pp. 430

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.12.2020
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/shuggie-bain.html
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