Wei Huis Buch, in China eine Sensation, weil verboten (öffentlich verbrannt sogar), weil als Zeugnis von Dekadenz angesehen, ist ein halb-autobiografisches Buch, das das Leben der jungen Schriftstellerin Coco zum Inhalt hat. Kernfrage des neu erwachenden, weiblichen Bewusstseins, immer vor dem Hintergrund einer etwas europäisierten, riesengroßen Metropole wie Shanghai, ist die Frage: Wer bin ich?
Die lässt sich am leichtesten beantworten, indem man das Leben voll auskostet und gleichzeitig in Phasen der Ruhe, ja Lethargie verfällt. Coco lebt mit dem drogensüchtigen, impotenten, aber äußerst sympathischen Tian Tian zusammen, der aber zusehends seiner Sucht verfällt und alle Hilfsangebote von sich weist, sich aber emotional an Coco klammert. Coco selbst lernt einen vitalen, verführerisch-anderen Deutschen kennen, mit dem sie eine Affäre beginnt, wohl wissend, dass dies Tian Tian verletzen wird, wohl wissend, dass Mark (der Deutsche) verheiratet ist.
Zwischen Rausch des Alltags, Beziehungsgeflechten, einem neuen Aufbrechen und einer starren chinesischen Tradition mäandert Coco durchs Leben - und auch durch echte Schicksalsschläge, denn nichts hat Bestand in so einer Welt, außer vielleicht die innere Stimme, die Berufung und die weitere Suche.
"Shanghai Baby" wurde zwar allüberall gefeiert, ist aber bestimmt nicht der große Wurf, sondern eher das Buch, das wir alle in uns haben. Natürlich ist es für chinesische Verhältnisse ein Reißer, hierzulande mag das leicht Exotische wirken, die Fremdwahrnehmung, aber nicht das große Stück Literatur. Dennoch zahlt es sich aus, das Buch zu lesen, vor allem für jene, die, so wie ich, eine leichte Obsession für chinesische Literatur haben, zeigt Wei Hui in der persönlichen Geschichte doch auch sehr schön die gesellschaftlichen Umbrüche.