Mr Schnitzel

Stephen Knight, Poet, legt hier seinen ersten Roman vor, der gewiss als erzähltechnisches Kuriosum gelten kann, denn er ist eine Mischung aus Erzählungen und Fußnoten – in etwa gleich auf das Buch verteilt.
Zum einen ist "Mr Schnitzel" (der Titel bezieht sich auf den schnitzelessenden Vater des ...

Stephen Knight, Poet, legt hier seinen ersten Roman vor, der gewiss als erzähltechnisches Kuriosum gelten kann, denn er ist eine Mischung aus Erzählungen und Fußnoten – in etwa gleich auf das Buch verteilt.

Zum einen ist "Mr Schnitzel" (der Titel bezieht sich auf den schnitzelessenden Vater des Erzählers) eine Sammlung von sieben Geschichten aus der großen Zeit der kaiserlichen Marine des Habsburgerreiches im 18. und 19. Jahrhundert, die dem Erzähler als Kind von seinem Vater als Einschlafgeschichten dargeboten werden. Diese Geschichten sind wahrhaft herzmanovskyisch, bevölkert von Käuzen, die allerlei Gaben besitzen oder allerlei Marotten entwickelt haben und an Husaren und Sindtbarte bei H. C. Artmann gemahnen. Meine Lieblingsgeschichte ist im Übrigen "Ute", in der der Admiral seine Tochter in einem absurd riesigen Schiff, das ihm die Bürger von Maria Wörth als Standbild bauen, gefangen halten will.

Gleichzeitig entwickelt sich in den Fußnoten (von denen viele über zig Seiten gehen) die Geschichte einer Kindheit. Der Erzähler, dessen Vater (aus Wales) mit einer Österreicherin (a Mödritscher) verheiratet ist, erlebt Österreichisches bei seinen zahlreichen Besuchen und Urlauben sowie die großen und kleinen Freuden und Tragödien der verzweigten Familie.

In einer Parallelaktion entsteht ein Sittenbild eines versunkenen und irgendwie doch durchaus lebendigen Österreichs, wobei Knight den Vater geschickterweise nicht Deutsch sprechen lässt, was allfälliges Übersetzen durchaus plausibel macht. Die deutsche Sprache wird im Übrigen höchst kompetent, wenn auch nicht fehlerfrei, verwendet. Immer wieder fallen Kleinigkeiten auf: Zellendorf statt Zellerndorf, links-recht statt links-rechts, ich weiße statt ich weiß, aber sämtliche Umlaute stimmen – ein Unikum bei einem englischsprachigen Buch. (Warum niemand so etwas ordentlich lektorieren kann, versteh ich nicht.)

Höchst interessant ist aber, wie gesagt, die Erzähltechnik: Die langen Fußnoten zwingen unentwegt zum Unterbrechen der Geschichten (die man natürlich in einem lesen kann) – sofern man sich dem Diktat des Buches beugt. Das ist oft nicht notwendig, aber das eigene Leseverhalten bei diesem 'Diktat' wahrzunehmen ist auf jeden Fall ein interessantes Phänomen. Wer die Digression liebt, wird sich dem nicht entziehen. Kurzum: eine vielfach interessante Lektüre, vor allem für Österreicher/-innen!

P.S: Das Schnitzelrezept im Appendix ist so weit in Ordnung, nur würde ich mich gegen served with pasta & potatoes sehr verwehren. Zitronenscheibe, Preiselbeeren, Erdäpfel- & Gurkensalat. Basta!

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/detail/mr-schnitzel.html
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