"Bainbridge ist keine gefällige Autorin, und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sie beim Booker Prize immer wieder leer ausgeht. Aber von mir werden Sie deswegen keine Lamentatio hören, denn ich gestehe gern, dass auch ich meine Schwierigkeiten mit Bainbridges sparsamer und unterkühlter Prosa habe, nicht zuletzt deswegen, weil sie sich so energisch den Viel- und damit SchnellleserInnen verweigert.
Wie auch in "Every Man for Himself" (vgl. NEWSLETTER März 1997), das der Titanic gewidmet war, kleidet Bainbridge ihre Erzählung ins historische Gewand; diesmal ist es der Krimkrieg, den die tennysongeübten Engländer vermutlich ohnehin interessanter finden als meinereins. George Hardy, der Master Georgie des Titels, ein Mann von vielen Talenten, verlässt sein Wohlleben in Liverpool, um 1854 am Krieg teilzunehmen, in dem er schließlich auch fällt. Sein Bild entsteht durch drei Erzähler, besser zwei Erzähler und eine Erzählerin, die (mehrfach) abwechselnd zu Wort kommen:
Es beginnt die Waise Myrtle, die eine besitzergreifende Zuneigung zu "Master Georgie" entwickelt hat; es setzt Pompey Jones, eine windige Figur, dem homosexuellen Georgie eng verbunden, fort; es beschließt die Darstellung Dr. Potter, Georgies Schwager, gelehrsam und etwas pedantisch.

Dennoch: So sehr manche die Kunst der Bainbridge schätzen mögen, für mich bleibt Master Georgie eine Figur ohne Konturen; und auch von den Berichterstattern könnte ich von keinem/keiner sagen, dass sie im Laufe der Geschichte viel an Leben gewännen; am ehesten tut dies noch - in seiner leichten Skurrilität - Dr. Potter.
Wie schon angemerkt: Möglicherweise bedürfen solche Bücher des unendlich langsamen Lesens, um ihnen gerecht zu werden. Meine Sache sind sie (damit) nicht, aber ich will nicht ausschließen, dass unter Ihnen die wahren Bainbridge-Kenner sind; notwendigerweise müssen Sie allerdings vieles andere versäumen. Für mich war die Lektüre leider nur Pflichtübung. "