Spufford lässt sie weiterleben, nachdem er minutiös (mit Spezialwörterbuch, nehme ich an) Bombe und Bombardierung geschildert hat.

Da heißt es: “Come, other chances. Come unsounded deep. Come, undivided light. Come dust.”

Die fünf Charaktere, die auch (eher zufällig) aufeinander treffen, werden zu folgenden Zeitpunkten eingefangen: 1949, 1964, 1979, 1994 und 2009. Alec wird Schriftsetzer, wird 1979 in gewerkschaftliche Kämpfe verwickelt, wechselt den Beruf. Jo und Val (Schwestern) entfremden sich, Val ist mit einem englischen Faschisten liiert, Jo ist die Freundin eines amerikanischen Rockers. Vernon mutiert zum schwindligen Bauträger, Ben, unglücklicher und schizophrener Busschaffner, erlebt noch am ehesten glückliche Tage.

All diese nicht gelebten Leben werden von Spufford mit viel Liebe zum Detail, mit beinahe atemlos machenden Ereignissen (etwa Bens Auseinandersetzung mit den rechten Hooligans im Bus) dokumentiert. Das alles wirkt so authentisch, als hätte jede/r der Fünf ihr Leben für Spufford diktiert.

Was für mich offen bleibt? Warum die nicht gelebten Leben wählen? Als Anerkennung für die 168 tatsächlich verstorbenen Menschen bei besagtem Bombenangriff? Als erzählerischer Trick? Der gibt ja nicht so viel her. Dass „come dust“ letztlich für alle gilt? Ja eh.

Trotzdem: Wir verfolgen gerne die fünf Leben (auch ohne die Prämisse), selbst wenn es für manche Leser/innen schwierig sein mag, den Faden nach 15 Jahren immer wieder aufzugreifen. Belohnt werden wir – wie bei „Golden Hill“ - mit exquisiter Sprache.

P. S. Wenn es um (nicht) gelebte Leben geht: Paul Austers „4321“ (S. Archiv) ist für mich da auch ein Meisterstück.

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