Klara ist ein Artificial Friend (AF), nicht das neueste Modell, aber doch voll großartiger Beobachtungsgabe und Empathie. Dass sie dabei die Wirklichkeit manchmal ‚falsch‘ wahrnimmt, hängt mit Einschätzungen und eventuell auch mit Kurzschlüssen zusammen. Dass sie merkt, wie Menschen an ihren ‚oblongs‘ hängen, ist eine richtige Wahrnehmung mit der falschen Bezeichnung. Dass sie die Welt manchmal als Zusammensetzung kleiner Boxen sieht, dürfte eher der Elektronik geschuldet sein.

Dass sie aber eine großartige Erzählerin ist, die uns selbst dann gefangen hält, wenn kaum etwas passiert, gereicht uns zur Freude. Dies ist im Übrigen auch ein Wesensmerkmal von Ishiguros Romanen: Wir sind von Anfang an gefangen und wissen eigentlich nicht ganz genau, warum eigentlich. Und wir bewegen uns (mit Klara) auf Wegen der Unsicherheit und sind trotzdem zufrieden.

Klara ist also AF für Josie (14), deren Mutter ihr nach langem Zögern den AF kauft. Josie ist schwer krank, denn der Prozess des ‚liftings‘ (eine genetische Modifizierung) hat ihr schwer zugesetzt. Wer geliftet ist, hat bessere Chancen in dieser arbeitsreichen Dystopie; bessere als das Nachbarskind Rick, Josies Freund, mit dem sie die Zukunft plant, der aber nicht zur Elite gehört (das kennt man schon an der Kleidung), obwohl er ein talentierter Junge ist.

Klara bemüht sich hingebungsvoll um Josie und lernt und lernt, lernt auch, wie Josie zu sein, was die Mutter, die schon ein Kind verloren hat, auf allerhand Ideen bringt. Auch Melania Housekeeper ist um Josie bemüht, aber Klara hat einen Plan, einen Plan, der sich um die Sonne rankt. Mit naivem Glauben an das Gute und die Kraft der Sonne versucht sie, Josie zu retten…

Das macht den Roman nicht nur zur SF-Geschichte der besonderen Art, sondern auch zum Märchen; und ein bisschen zu einem Mystery; und zu einer herzerwärmenden Geschichte, in der das Gute nicht ganz verloren ist. Das wirklich Schöne aber ist, dass wir 300 Seiten lang gefesselt sind.