Interior Chinatown

Autor YU, Charles

Verlag New York: Pantheon Books 2020

Eins ist sicher: Die Werbetexte am Buch enthalten das Wort ‚hilarious‘ in rekordverdächtiger Anzahl.

Aber Yu hat den National Book Award für diesen Drehbuch-ähnlichen Roman wohl nicht deswegen gewonnen, sondern weil er ein unterhaltsames Buch in Fernsehshow-Manier geschrieben hat, das sich gleichzeitig mit dem Problem der (nationalen) Identität auseinandersetzt.

Wir sind in Chinatown, genauer im Golden Palace Restaurant, das als Kulisse für die mediokre Polizei-Serie „Black and White“ dient. Über dem Restaurant erhebt sich ein Wohnturm, vorwiegend für SRO-Zwecke (SRO-Single Resident Occupancy). Unser Protagonist Willis Wu, der im achten Stock lebt, hat in der Serie eine kleine Rolle, die sich aber langsam steigert (mit 45 Tagen Pause dazwischen). Er beginnt als “Background Oriental Male”, wird dann “Dead Asian Man” und schließlich “Generic Asian Man Number Three/Delivery Guy”; was er gerne wäre, ist “Kung Fu Guy”, ein Job, den sein Vater hatte, den Older Brother sicher gut ausgefüllt hätte. Schon an Wus Vater sehen wir, dass der Weg von „young dragon“ zu Sifu letztlich bei „Old Asian Man“ endet. Das Problem ist, dass alle Handelnden ‚generic‘ sind, die Cops der Serie genauso wie die Asiaten. Was besonders den Asiaten fehlt, ist die amerikanische Persönlichkeit, auch wenn sie in den USA geboren wurden. Wu muss gebrochenes Englisch sprechen, sonst passt er nicht die Welt, er muss „generic Asian man“ sein, sonst wird er überhaupt nicht wahrgenommen. Als er heiratet und eine kleine Tochter hat, glaubt er weiter, er müsse seine Asian-Karriere verfolgen; als Kung Fu Dad gerät er nur in Schwierigkeiten, und bei einer Gerichtsverhandlung nimmt sich Older Brother der komplexen Frage der Identitäten an.

Das klingt alles nur halb so witzig, wie es ist. Yu spielt mit den Klischees, die in Amerika existieren, er spielt aber auch besonders mit den Klischees von Hollywood. Dabei gerät aber der ernste Unterton nie zu kurz und wir können so nebenbei über den Schwitters-Satz: „Wir spielen, bis uns der Tod abholt“ nachdenken.

pp. 266

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.03.2021
Link
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