Haven

Autor DONOGHUE, Emma

Verlag London: Picador 2022

1977 war ich mit meiner Frau das erste Mal auf Skellig Michael, an einem schönen Tag und einer geruhsamen Überfahrt.

Etwa zehn Jahre später waren wir wieder dort, bei hohem Wellengang und mit vier verzweifelten Deutschen, während meine zehnjährige Tochter das heftige Schaukeln des Bootes unterhaltsam fand. Wenige waren es also, die die Überfahrt von Cahirciveen aus unternahmen; nun aber, nachdem die Skelligs in „Star Wars“ vorkamen, leidet die Insel, die aus zwei spitzen Felsen besteht und vorwiegend von Papageientauchern bewohnt wird, an ‚overtourism‘, wie Donoghue im Nachwort beklagt.

Donoghue hat in gewisser Weise die Idee von „Room“ aufgegriffen (s. Archiv). Drei Männer landen Anfang des 7. Jahrhunderts auf dieser kargen Insel, um dort, fern von den Sünden der Menschheit, eine Bruderschaft zu bilden.

Es beginnt mit einem Traum. Bruder Artt, so etwas wie ein lebender Heiliger, träumt den Traum im Kloster Cluain Mhic Nóis; er soll ein Kloster dort errichten, wo noch keines Menschen Fuß war; und er soll zwei Brüder mitnehmen; auch die sind im Traum vorgegeben: Der eine ist Cormac, ein ziemlich alter Mönch, der vorher schon ein Leben gelebt hat und erst vor 15 Jahren ins Kloster eingetreten ist; der andere ist der junge Trian, der mit 13 dem Kloster übergeben wurde. Das Trio landet also auf Skellig Michael und muss dort der Natur die Mittel zum Überleben abtrotzen. Artt, der Priester und somit der, der die Befehle gibt, predigt unentwegt den Verzicht. Gleichzeitig findet er, dass man sich an der reichen Vogelwelt nach Lust und Laune bedienen könne, denn Gott haben ihnen das sozusagen vor die Nase gesetzt. Daher werden Riesenalken geschlachtet, aus Papageientauchern wird Öl gewonnen, junge Seehunde werden getötet. Trian, der aus einer Fischerfamilie stammt, behagt das gar nicht; und auch Cormac, der einen kleinen Garten anlegt und einen Altar bauen muss, später eine Unterkunft bauen darf, hat zusehends Schwierigkeiten mit dem frömmelnden Artt. Aber beide haben absoluten Gehorsam gelobt, auch wenn Cormac einmal anmerkt: „Saints can be hard men.“ Artt, der auf der Insel eine Bibel-Kopie anfertigen will und auch Trian dazu verpflichtet, lebt in einer völlig autistisch-religiösen Welt. Ohne Trians Fischereikünste und Cormacs Konstruktions- und allgemeiner Fertigkeiten würde Artt vermutlich nicht länger als ein paar Wochen überleben. Aber er glaubt an die Dreiergemeinschaft und daran, dass Gott stets für das Nötige sorgen wird. Einige Male hat er sogar das Glück der Gläubigen, aber insgesamt ist er von einer derartigen Weltabgewandtheit, dass sich nicht nur die Leser/innen, sondern auch seine Mitbrüder nur wundern können.

Wie wir wissen, wurde Skellig Michal von ziemlich pragmatischen Mönchen bevölkert; Kloster, die „beehives“ (Unterkünfte), die Reste eines Gartens zeugen davon. Donoghues Artt ist aber vor allem religiöser Fanatiker, und es ist für heutige Leser/innen natürlich interessant, so eine Gestalt zu erleben. Sympathisch ist er eigentlich nie, Cormac und Trian, die letztendlich Menschlichkeit beweisen, sind das schon: Trian, der die Ausbeutung der Natur mit Schmerzen sieht. Cormac, der in einer kritischen Situation auf Trians Seite steht.

Es war ein großes Vergnügen, dieses Buch zu lesen.

pp. 257

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
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Veröffentlicht am
02.01.2023
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