Und in der Tat: Zucker, einst ein Luxusgut und eher in Gramm genossen, hat sich zu einem allgegenwärtigen Produkt entwickelt, und wir Europäer nehmen im Jahr durchschnittlich 40 kg Zucker zu uns (in Nordamerika sind es 60 kg). Das geht nicht ohne Kämpfe, Kriege, Intrigen, Falschinformationen, Lobbying.

Bosma, Professor an der Vrije Universiteit Amsterdam, beschert uns eine Fülle an Daten zur Geschichte des Zuckers, und in meinem Alter bleibt davon nur ein Bruchteil hängen. Allein die ‚Notes‘ in diesem Buch machen 87 Seiten aus – damit übertrifft er locker Corbins „Pesthauch und Blütenduft.“

Bosma zeigt auf durchaus spannende Weise, das Auf und Ab der Zuckerindustrie, die wechselnden Nationen, die Reichtum anhäuften – und wieder verloren. Und die wechselnden Individuen, die zu unvorstellbarem Wohlstand gelangten. Er zeigt auch, wie eng die Zuckerindustrie mit dem Sklavenhandel und später mit Prekariats- Arbeitsplätzen verbunden war. Er schildert die Spannungen zwischen Rohrzucker und Rübenzucker, und er geht ausführlich auf die Gewinnung von (künstlichem) Süßstoff und dem Lobbying, der diese begleitete, ein.

Bosmas Buch ist gleichzeitig eine Geschichte des Kapitalismus und der Unterdrückung, eine globale Geschichte eines Industriezweiges, aber auch eine Geschichte der Technologisierung und der maschinellen Überproduktion, zum Teil im Kampf mit verbissenen Kleinbetrieben, wie etwa in Indien.

Es dauert seine Zeit, sich durch das Buch durchzukämpfen, aber es lohnt sich. Im Gegensatz zu anderen Geschichten von ‚commodities‘ hat Bosma ein Werk von unglaublicher Breite geschrieben, und es ist bewundernswert, wie viel an eigener Lese- und Forschungsarbeit hineingeflossen ist.

448 (Sachbuch)