The Book of Form and Emptiness
Autor OZEKI, Ruth
Verlag Edinburgh: Canongate 2022
Mit diesem umfangreichen, ihrem vierten, Roman hat Ozeki heuer den Women’s Prize for Fiction gewonnen, und so viel lässt sich sagen: Geboten wird viel!
Ozeki, Schriftstellerin und Zen-Priesterin, macht uns mit Benny Oh (14) bekannt, der sich plötzlich als Halbwaise wiederfindet. Sein Vater Kenji, ein koreanisch-amerikanischer Jazzmusiker, wird bei einem absurden Unfall getötet; von da an beginnt Benny Stimmen zu hören; alles spricht, einfach alles. Als eine Schere ihn dazu verleitet, sich selbst zu attackieren, landet er schließlich in einer Klinik, diagnostiziert mit ‚the prodromal phase of schizoaffective disorder‘.
Seine Mutter Annabelle ist ihm keine Hilfe; sie ist ein ‚hoarder‘ und ein ‚messy‘, auch sie erregt den Verdacht der Therapeutin und des Jugendamts. Das Buch einer Zen-Meisterin, „Tidy Magic“, hilft ihr kurzfristig, aber es dauert, bis sie sich wieder der Realität annähert.
Benny lernt inzwischen Alice, die sich The Aleph nennt, kennen, die mit ihrem non-binären Frettchen Klinik und Welt überhaupt unsicher macht. Unterstützt wird sie dabei u. a. von Slavoj, genannt the Bottleman, einem slowenischen Dichter und Alkoholiker im Rollstuhl. Zweifel kommen auf, ob es diese Figuren alle gibt, aber Benny, der sich, wenn nicht in der Klinik, vorwiegend in eine Bibliothek flüchtet, beharrt darauf, dass sie wirklich sind.
Was ist wirklich? Diese Frage ist natürlich essenziell, aber in gewisser Weise geht das Leben weiter, und verkürzt könnte man den Roman, dessen Erzähler ein Buch ist, als eine Beschreibung zweier Menschen sehen, die mit einem großen Verlust fertig werden müssen.
Das ließe aber außer Acht, dass „The Book of Form and Emptiness“ (ein Zen-Begriff) ein Sammelsurium von (postmodernen) Anspielungen ist. Wie kundige Leser/innen schon bemerkt haben: Borges und Žižek stehen Pate, Walter Benjamin ist besonders wichtig, aber auch Religion und Politik finden sich im Roman. Vielleicht kommt da ein bisschen viel Zen von Ozeki, aber es findet sich auch Kritik am politischen Aufruhr (wohl Trump-gesteuert). Erderwärmung, Kunst, Fragen nach Normalität und Wirklichkeit – all das wird zwischendurch platziert.
Bei aller Originalität bleibt die Frage, ob Ozeki nicht auch ein ’hoarder‘ ist, denn das Buch quilt über mit Ideen und Erzählsträngen. Aber wer die Zeit hat, wird all dem mit wachsendem Interesse folgen.
pp. 546