Stranger Than Fiction. Lives of the Twentieh-Century Novel
Autor FRANK, Edwin
Verlag London: Fern Press 2024
Wie gut, dass ich zum Jahreswechsel den „Zauberberg“ in der schönen Neuausgabe gelesen habe, denn er passt zur Botschaft dieses Buches: Romane des 20. Jahrhunderts wieder- oder gar neuentdecken.
Frank selbst ist einer der Herausgeber der New York Review Book, und er hat 15 Jahre an diesem Band gearbeitet, wobei viel sicher die pure Lesearbeit war.
Drei Abschnitte machen „Stranger Than Fiction“ aus und in jedem werden unvergessene und (fast) vergessene Romane ausführlich besprochen. Manche erhalten einen Einzelplatz, manche werden im Tandem besprochen, wobei Frank darauf achtet, Parallelen sichtbar zu machen.
Frank beginnt aber vor dem 20. Jahrhundert, und zwar mit Dostojewskis „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ (1864) und er endet mit Sebalds „Austerlitz“ (2001), aber der eigentliche Schlusspunkt ist Naipaul.
Wie gesagt: Bedeutende Romane bedeutender Autorinnen und Autoren werden diskutiert: H. G. Wells, Proust und Joyce, Machado de Assis, Mann, Stein (im ersten Abschnitt); aber auch Kubin und Colette. (Autorinnen sind allerdings in deutlicher Minderheit.)
Im zweiten Abschnitt finden wir z. B. Woolf, Musil, Svevo und Nossack. Echt jetzt? Nossack? Wer liest denn den noch heute?
Im dritten Abschnitt finden sich z. B. Nabokov, Márquez, Perec, Ellison, aber auch Banti. Für Kontroversen ist also gesorgt.
So eine Art von Buch zu schreiben ist natürlich immer eine Gratwanderung; wen erwähne ich, wen nicht? Dabei ist Frank gut Im Namedropping. Innerhalb eines Absatzes (307f.) erwähnt er etwa: Burroughs, Greene, Lowry, Simenon, Sarraute, Genet, Cela, Frisch, Camus, Levi.
Bei so viel Namedropping fragt man sich natürlich, warum Handke und Jelinek (immerhin Nobelpreis), Eco, Murakami und Barth nicht einmal erwähnt werden. Und man darf auch vermerken, dass zum Thema Genreliteratur bloß vier Zeilen vorhanden sind. Aber sei’s drum: Das ist ja das Schöne, dass man immer noch seinen Senf dazugeben kann.
Jedenfalls ist die Mischung aus Analyse, Biografie, Querverbindungen für alle, die sich für den Roman interessieren, ein Freudenfest. Die Ernüchterung kommt dann, wenn man plant, was man selber gerne (wieder)lesen würde.
pp. 451 (Sachbuch)